Die Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS) Siegen haben einen Rettungsbus im Dienst, der in ganz Deutschland einmalig ist: Normalerweise fährt der MAN-Niederflur-Gelenkbus im Linienverkehr in der Region Siegen-Wittgenstein (NW). Bei Bedarf steht er aber auch für den zivilen Bevölkerungsschutz zur Verfügung. Dafür ist das Fahrzeug eigens beklebt und mit einer Sondersignalanlage ausgestattet worden. Den Rettungsbus gibt es auch als Modell.
Eben stand noch “L102 Hengsbach” im Frontdisplay des Gelenkbusses. Plötzlich wechselt die Anzeige auf “Rettungsbus im Einsatz”. Mit blinkenden Blaulichtern und laut tönendem Martinhorn setzt sich der 18 Meter lange MAN Lion’s City A23 NG 313 in Bewegung. “Normalerweise verkehrt dieser Niederflur-Gelenkbus im ganzwöchigen Linieneinsatz in der Region Siegen-Wittgenstein”, erklärt Gerhard Bettermann, Betriebsleiter der Verkehrsbetriebe Westfalen Süd (VWS). “Bei Bedarf können Feuerwehr und Rettungsdienst das Fahrzeug über die Kreisleitstelle anfordern. Etwa zum Transport oder zum Aufenthalt von leicht Verletzten sowie zum schnellen Evakuieren von gefährdeten Personen.”
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Für die Inanspruchnahme von Sonder- und Wegerechten ließ die VWS die Fahrer des Busses eigens schulen. “Wenn unser Rettungsbus während einer seiner Linienfahrten alarmiert wird, setzt unser Mitarbeiter die Fahrgäste an der nächsten Bushaltestelle ab und fährt mit Sondersignal zum Einsatzort”, erklärt Bettermann. “Die Fahrgäste werden umgehend von einem Ersatzbus der VWS wieder aufgenommen.” Außerhalb der regulären Fahrtzeiten steht immer ein Fahrer im Rahmen einer Bereitschaft zur Verfügung.
Die Idee für den Umbau eines Linienbusses zum Einsatzfahrzeug hatte VWS-Geschäftsführer Klaus-Dieter Wern. “In letzter Zeit sind in Siegen Feuerwehr und Rettungsdienst vermehrt zu Großschadenslagen gerufen worden. Zum Beispiel zu Bombenfunden in Dortmund, zu einem Brand in einem Siegener Krankenhaus und zu Verkehrsunfällen auf der Autobahn 45 mit Beteiligung von Omnibussen”, so der Busunternehmer. “Das hat uns dazu bewogen, eines unserer Fahrzeuge den Organisationen zur Gefahrenabwehr im Kreis Siegen-Wittgenstein bei Bedarf zur Verfügung zu stellen.”
Bis zu 130 Personen finden in dem 390 PS starken Niederflur-Gelenkbus Platz. Liegendtransporte lassen sich mit dem Fahrzeug nicht durchführen. “Dafür fehlen die notwendigen Befestigungsmöglichkeiten”, erklärt Bettermann. “Eine solche Aufrüstung ist zurzeit auch nicht geplant.”
Vor der Indienststellung als Rettungsbus ließ die VWS den MAN noch einmal technisch aufarbeiten. Hinzu kamen das Anbringen der Sondersignalanlage – sechs LED-Rundumkennleuchten und eine Martin-Horn-Anlage – sowie die dazugehörige Elektroinstallation. Zur werkseitigen Ausstattung zählten bereits eine Vollklimaanlage sowie eine Standheizung. In der Beschaffung befindet sich gerade ein Mobiltelefon für den Bus. Bislang wird das Fahrzeug von der Leitstelle über die Telefonie-Funktion des Bordcomputers alarmiert.
“Die Blaulichter sind während des Linienverkehrs mit Kunststoffhauben abgedeckt und werden nur bei einer Alarmierung vom Fahrer mit Hilfe einer Teleskopstange freigelegt”, betont der VWS-Betriebsleiter. “Für sämtliche Umbauten und den Betrieb des Fahrzeugs haben wir eine behördliche Genehmigung.” Wie in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) gefordert, befinden sich ein 6-kg-Pulverlöscher sowie ein Verbandkasten an Bord. Darüber hinaus besitzt der Rettungsbus keine feuerwehrtechnische und medizinische Beladung. “Das haben wir so mit der Siegener Feuerwehrleitung abgestimmt”, berichtet Bettermann. “Die Einsätze sollen zeigen, ob dafür Bedarf besteht.”
Technische Daten: Rettungsbus Siegen
Fahrgestell: MAN Lion’s City A23 NG 313 Motor: MAN-Reihen-Sechszylinder-Dieselmotor D 2866, 11.967 cm³, 286 kW/390 PS Getriebe: Automatikgetriebe Voith 864.3E Höchstgeschwindigkeit: 85 km/h Länge: 17.95 cm Breite: 2.500 cm Höhe: 3.000 cm Radstand: 5.100/6.760 mm Leermasse: 17.150 kg Zul. Gesamtmasse: 27.800 kg Besatzung: 0/1 Aufbauhersteller: MAN/Eigen Baujahr: 2004/Umbau 2013 Fahrzeugtechnische Ausstattung: Bordcomputer, Klimaanlage, Standheizung, Außenbeleuchtung im Einstiegsbereich, Innenraumkameras, Rückfahrkamera. Feuerwehrtechnische Ausstattung: sechs Rundumkennleuchten Hänsch Nova in LED-Technik, zwei LED-Frontblitzer Hänsch Sputnik nano, Martin-Horn 2297 GM mit vier Membran-Schallbechern. Beladung: Pulver-Feuerlöscher 6 kg (Standardausstattung für Kraftomnibusse nach StVZO) Preis: zirka 320.000 Euro (Neuwert)
Nach der Montage der Sondersignalanlage wurde der Bus zu einer Werbeagentur gefahren und dort komplett neu beklebt. Das ursprünglich rot lackierte Fahrzeug erhielt das Aussehen eines typischen Siegener Rettungsdienstfahrzeugs in den Grundfarben Weiß und Leuchtrot. Am Heck des Gelenkbusses brachten die Agentur-Mitarbeiter eine Warnbeklebung aus retroreflektierenden, rot-leuchtgelb gestreiften Folien gemäß DIN 14502-3:2009-02 “Feuerwehrfahrzeuge – Teil 3: Farbgebung und besondere Kennzeichnungen” an.
Zusätzlich klebten sie die Logos von Feuerwehr, Deutschem Roten Kreuz, Malteser-Hilfsdienst und Technischem Hilfswerk auf. Auch das Feuerwehr-Magazin wirbt mit seinem Logo auf dem neuen Rettungsbus. Im Innern ist immer das Titelblatt der aktuellen Ausgabe des Feuerwehr-Magazins in zwei Schaukästen zu sehen. Zudem liegen nicht nur mehrere Exemplare des Feuerwehr-Magazins, sondern auch des Rettungs-Magazins aus, das ebenfalls im Ebner Verlag erscheint. “Dem Wunsch von VWS und Feuerwehr, das Projekt Rettungsbus ideell zu unterstützen, sind wir gerne nachgekommen”, sagt Jan-Erik Hegemann, Chefredakteur des Feuerwehr-Magazins. “Wir finden das Konzept sehr gelungen.”
Nach der offiziellen Vorstellung Ende Juni 2013 musste der Bus zunächst noch einen längeren Werkstatt-Aufenthalt absolvieren und daraufhin teilweise neu beklebt werden. Um keine einzelne Feuerwehr des Kreises Siegen-Wittgenstein hervorzuheben, wurde hierbei die seitliche Beschriftung von “Feuerwehr Siegen” in “Feuerwehr” geändert.
“Für die Umsetzung und Bereitstellung entstehen keine Kosten für die hiesigen Organisationen zur Gefahrenabwehr”, stellt VWS-Geschäftsführer Wern klar. “Der Neupreis des von uns eingebrachten Fahrzeugs liegt bei etwa 320.000 Euro. Zur Deckung der Bereitstellungs- und Installationskosten des Rettungsbusses bieten wir Sponsoren die Möglichkeit, im Rahmen einer am Dachkranz des Fahrzeuges angebrachten Werbefläche die Unterstützung für das Projekt zu präsentieren.” Dieses Angebot haben bereits einige Unternehmen genutzt und ihre Werbung auf dem Fahrzeug anbringen lassen.
Zu seinem ersten Einsatz rückte der Rettungsbus Ende Juli 2013 ab. Nach einem heftigen Gewitterschauer über dem Panorama-Park in Kirchhundem (Kreis Olpe) hatte die zuständige Leitstelle die Information erhalten, dass sich noch mehrere Personen in dem Park aufhalten sollten, die schnellstmöglich evakuiert werden müssten. Daraufhin forderte der Disponent den Rettungsbus an. Letztlich mussten nur wenige Parkbesucher transportiert werden, wofür ein Einsatzleitwagen ausreichte. “Die Anfahrt unter Alarmbedingungen war aber eine gute Übung für unseren Fahrer”, sagt VWS-Geschäftsführer Wern.