Bremen – Gaffer sind an vielen Unfallstellen zu einem echten Problem geworden. Selbst Leichenbergungen werden mit dem Smartphone fotografiert oder gefilmt. Viele Feuerwehren haben sich deshalb Sichtschutzwände beschafft. Doch wie ist eigentlich die Rechtslage? Wir klären auf.
Grundsätzlich handelt es sich beim Aufbau von Sicht- oder Gafferschutzwänden um eine klassische Polizei-Aufgabe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach den jeweiligen Landespolizeigesetzen. Eine Aufgabe der Feuerwehr ist es ausschließlich dann, wenn es eine originäre Aufgabe aus den Brandschutzgesetzen der Länder darstellen würde. Sprich: die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit, dem Einzelnen oder Tieren, die durch Brände, Explosionen, Unfälle oder andere Notlagen, insbesondere durch schadenbringende Naturereignisse, drohenden Gefahren für Leben, Gesundheit, natürliche Lebensgrundlagen oder Sachen abzuwenden (so zum Beispiel § 6 im Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetz).
Anzeige
Es könnte allenfalls dann Aufgabe der Feuerwehr sein, wenn sie nur durch Aufstellen der Gafferwände die genannten Kernaufgaben erfüllen kann und noch keine Polizeikräfte vor Ort sind. Dies insbesondere dann, wenn zu Rettungszwecken vermieden werden muss, dass ein zu befreiendes Unfallopfer Dinge sieht, deren Wahrnehmung die Rettung erschweren würde (beispielsweise verletzte/getötete Angehörige). Oder auch dann, wenn das Gesehenwerden das Unfallopfer unmittelbar gefährdet (Vermeidung von Panik beim Unfallopfer) oder das Umfeld (wie Spritzwasser oder hochgeschleuderter Schneematsch) das Opfer gefährden würde.
Keinesfalls darf das Aufstellen von Gafferwänden die Erfüllung der originären Feuerwehraufgabe der Rettung wegen der Missachtung der Gefahrenmatrix beispielsweise verzögern! Wäre dies der Fall, so könnten sich daraus gegebenenfalls sogar Regressansprüche des zu rettenden Unfallgeschädigten ergeben.
Das reine Gesehenwerden durch Gaffer betrifft die Persönlichkeitsrechte des Opfers. Diese Rechte hat die Polizei zu schützen – nicht die Feuerwehr.
Im Übrigen stellt sich die Frage, ob Feuerwehreinsatzkräfte noch Versicherungsschutz genießen, wenn sie mithin „eigenmächtig“, also ohne gesetzlichen Auftrag, derartige Gafferwände aufstellen und es dabei zu einem Einsatzunfall kommt. Wenn die Unfallkasse dies einmal böswillig als „Freizeitvergnügen“ der Feuerwehrleute außerhalb ihres originären Auftrages sehen sollte, könnte sie einen Versicherungseintritt verweigern.
Klarer Fall: Das Aufstellen ist Aufgabe der Polizei!
Grundsätzlich ist nach hiesigem Feuerwehrrecht der Schutz der Unfallbeteiligten vor Gaffern nicht als originäre Aufgabe der Feuerwehr erwähnt. Sie fällt damit in den Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und in den Aufgabenbereich der Polizei. Die Feuerwehr kann hier allenfalls im Wege der Amtshilfe tätig werden.
In der Praxis ist es indessen so, dass die zuerst am Einsatzort eintreffende Polizeistreife derartige Gafferwände üblicherweise nicht mitführt und allenfalls mit nachrückenden Fahrzeugen bei Großschadenslagen mitführen kann. Diese Fahrzeuge sind üblicherweise allerdings erst lange nach dem unmittelbaren Einsatzereignis vor Ort. Also in der Regel deutlich nach dem Zeitpunkt, wenn der Gafferschutz am notwendigsten erscheint.
Letztlich ist es aus Gründen der Mitmenschlichkeit eine Selbstverständlichkeit, dass jede der beteiligten Organisationen bei der Aufstellung mitwirkt. Immer unter der Voraussetzung, dass sie in dem Moment dafür freie Kapazitäten hat. Rechtlich jedoch ist dies bis zur ausdrücklichen diesbezüglichen Änderung der Feuerwehrgesetze grundsätzlich eine Polizeiaufgabe!
Zur Vermeidung insbesondere von Schwierigkeiten im Nachgang des Einsatzes ist der Feuerwehrleitung dringend zu empfehlen, mit dem Dienstherrn ganz konkret abzustimmen, ob Gafferwände erworben, eingesetzt und wie auch immer abgerechnet werden können. Idealerweise sollte die Feuerwehrführung auf eine ausdrückliche und unmissverständliche Dienstanweisung des Dienstherrn drängen.
Weil viele Feuerwehren inzwischen Gafferwände beschafft haben oder über eine Beschaffung nachdenken, hat das Feuerwehr-Magazin gemeinsam mit der Feuerwehr Wunstorf (NI) die am markt erhältlichen Produkte getestet. Diesen Text bieten wir in unserem Online-Shop als kostenpflichtigen Download an. Von dem Test gibt es auch einen Videobeitrag auf YouTube.
In eigener Sache: Diesen Beitrag hatte Feuerwehrmann und Rechtsanwalt Dr. Ullrich Laabs für das Feuerwehr-Magazin verfasst. Wir hatten Dr. Laabs gerade als neuen Rechtsautoren verpflichtet, als uns die Mitteilung von seinem Tod erreichte. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie.