Interview mit CEO Thomas Hilse zum Verkauf an Mutares

So geht es mit Magirus weiter

Ulm (BW) – Die monatelange Ungewissheit endete für die Beschäftigten und die Branche Anfang März. Der Finanzinvestor Mutares aus München unterzeichnete eine Kauferklärung. Spätestens Anfang 2025 endet damit die Zugehörigkeit von Magirus zur Iveco-Gruppe. Wir sprachen mit Magirus-CEO Thomas Hilse über die Pläne für die Zukunft.

FM: Herr Hilse, mit dem Verkauf der Brandschutzsparte von Magirus endet eine monatelange Hängepartie. Wie fühlen Sie sich jetzt?
Hilse: Erleichtert. Wir haben nun die Zukunft in unserer Hand und mit Mutares einen Eigentümer, der uns hilft, die Magirus wieder dahin zu bringen, wo sie hingehört. Mir ist aber eine Anmerkung ganz wichtig: Es war keine Hängepartie. Wir konnten auch bei Iveco weiter in neue Produkte investieren.

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Blick auf das größte Magiruswerk in Ulm. Das Gelände und die Gebäude werden sich auch weiterhin mit Iveco geteilt. Foto: Hegemann

FM: Was waren die Hauptgründe für die Entscheidung, die Brandschutzsparte von Magirus zu verkaufen?
Hilse: Da gibt es zwei Sichtweisen. Die der Iveco-Gruppe und die der Magirus. Für einen Nutzfahrzeughersteller sind die Herausforderungen derzeit riesig. Ich nenne nur die Transformation auf alternative Antriebe und neue Sicherheitsvorgaben. Der Investitionsbedarf ist enorm. Iveco muss hier alleine im Jahr 2024 eine Milliarde Euro investieren. Da muss man sich auf das Kerngeschäft konzentrieren. Dazu gehört der Brandschutz bei Iveco eindeutig nicht.

FM: Und aus Sicht von Magirus?
Hilse: Auf der anderen Seite, und das ist die Magirus-Sicht, ergibt es keinen Sinn, dass ein Aufbauhersteller an einem Truck-Produzenten hängt. Durch diese Nähe haben wir nicht nur Vorteile. Eigentlich müssen wir als neutral wahrgenommen werden. Ich sehe hier nun Riesenchancen, das jeweils beste Chassis für die jeweilige Mission anbieten zu können.

Ist erleichtert, dass der Verkaufsprozess jetzt weitgehend beendet ist: Magirus CEO Thomas Hilse. Foto: Hegemann

FM: Wie viele Kaufinteressenten gab es?
Hilse: Insgesamt haben wir mit 16 Interessenten Gespräche geführt.

FM: Welche Überlegungen bei der Suche waren für Sie entscheidend?
Hilse: Wir haben uns gut überlegt, welchen Mehrwert ein neuer Investor bringen muss. Er soll strategische oder operative Erfahrungen und Ressourcen mitbringen, die wir als Mittelständler mit gut 300 Millionen Umsatz und 1.300 Mitarbeitern nicht haben.

 

FM: Was genau kauft Mutares, auch die Grundstücke und Gebäude?
Hilse: Mutares erwirbt die Magirus GmbH mit all ihren Werken und Produkten, zu dem der Standort in Ulm gehört. Dort produzieren wir vor allem die Drehleitern und Löschfahrzeuge für die deutschsprachigen Länder. Unser nagelneues österreichisches Werk in Graz, unser Werk in Brescia, Italien und unsere Serviceeinheit in Chambery, Frankreich. Die Grundstücke und Gebäude sind in der Regel nicht unser Eigentum. Sie sind über Leasing finanziert oder wir mieten sie.

FM: Warum wurde mit Mutares ein Finanzinvestor als Käufer ausgewählt?
Hilse: Die Magirus hat ihre starken Seiten. Wir sind Weltmarktführer bei Drehleitern, ganz vorne in der Robotik, bauen qualitativ hochwertige Löschfahrzeuge und sind stolzer Besitzer der wohl global renommiertesten Marke in der Branche. Eigentlich sind wir kerngesund. Aber wir machen wegen verschiedener Faktoren seit mehreren Jahre Verluste, die so nicht weiter tragbar sind. Sicherlich haben uns die Kriseneffekte der Lieferketten (Supply Chain) und Inflation der letzten 3 Jahre besonders hart getroffen, aber auch in Normaljahren ist unser positiver Cashflow nicht ausreichend. Wir brauchen deshalb Knowhow von Experten, um den Turnaround zu schaffen.

FM: Und diese Fähigkeiten bringt Mutares in Ihren Augen mit?
Hilse: Auf alle Fälle. Das können die. Das haben sie schon oft unter Beweis gestellt. Mutares ist ein börsengelisteter Finanzinvestor, eigentlich eine Art Industrieholding, die nachhaltig vielen Firmen geholfen hat, wieder in die Profitabilität zurückzufinden.

FM: Was entgegnen Sie den Beschäftigten, die eine Zerschlagung und Selektierung von Magirus befürchten?
Hilse: Wir informieren sehr ausführlich über die Geschäftsstrategie der Mutares. Wir haben es hier nicht mit dem üblichen Zerrbild eines Private Equity Investors zu tun. Sondern mit einem Investor, der es in vielen Fällen geschafft hat, nicht nur Kosteneffizienz, sondern auch Wachstum bei seinen Portfolio-Firmen zu realisieren. Ich sehe auch sehr viele Wachstumschancen für die Magirus, die wir in der Iveco-Gruppe nicht wahrnehmen konnten. Wir werden nun endlich unternehmerischer handeln können – und die Entscheidungen werden deutlich schneller getroffen.

FM: Wie wird sich dieser Verkauf auf die Zukunft von Magirus insgesamt auswirken?
Hilse: Wir haben schon unter der Iveco-Gruppe eine ganz klare Strategie erarbeitet, wie wir wieder nachhaltig in die schwarzen Zahlen kommen werden. Dabei bleiben wir eine Premiummarke mit dem Fokus auf Qualität und Innovation. Deshalb werden wir unsere Produktoffensive fortsetzten, die mit dem „Next Generation Firefighting“-Portfolio vor 2 Jahren begonnen hat. Wir haben gleich mehrere neue Produkte in der Pipeline.

Interview: Jan-Erik Hegemann, Chefredakteur

Hier handelt es sich nur um einen Auszug des Gesprächs mit Thomas Hilse. Das komplette Interview findet Ihr in der Mai-Ausgabe 2024 des Feuerwehr-Magazins. Das Heft ist aktuell im Handel erhältlich. Ihr könnt es aber auch ganz bequem bei uns im Online-Shop bestellen, als gedruckte Ausgabe portofrei nach Hause oder zum sofortigen Download. >>>Hier geht es zur Bestellmöglichkeit<<< 

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Bis heute unvergessen bleibt, dass unter den Aufbautenherstellern die ehedem in Ulm ebenfalls im Industriegebiet Donautal ansässigen Kögel Fahrzeugwerke unter der Schirmherrschaft des damaligen Bundeswirtschaftsministers zwar einst als “Turnarounder des Jahres 2008” ausgezeichnet worden sind, aber nur wenige Monate später vor Gericht zum dann wiederholten Mal die Zahlungsunfähigkeit zu erklären hatten. Bereits daran lässt sich erkennen, dass solch ein Vorhaben mit einer äußersten Unkalkulierbarkeit einhergeht. Fraglich insofern, woher Thomas Hilse für Magirus die Zuversicht hernimmt? Sogar noch mit dem besten Knowhow von Experten ist offenbar kein Unternehmen davor gefeit, binnen kurzem in eine schwere industrielle Krise zu stürzen. Angesichts dessen ist die Kritik erlaubt, womöglich mit dem Verkauf an Mutares sich in falscher Sicherheit zu wiegen. Ohne zumindest die richtigen Lehren aus den von den jeweiligen Belegschaften überaus leidvoll in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen zu ziehen, die laut Alfred Katz als früherem Ersten Bürgermeister den Menschen tief in den “Knochen” stecken, scheint der ökonomische Erfolg noch unsicherer zu sein als ohnehin schon.

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