Niestetal (HE) – Ein seit Jahren schwelender Streit in der Freiwilligen Feuerwehr Niestetal (Kreis Kassel) hat zum Wochenende seinen unrühmlichen Höhepunkt gefunden: 30 Kameraden vollzogen ihren Austritt aus der Wehr – darunter auch die komplette Führung. Sie zeigten sich von der Gemeinde enttäuscht.
Hintergrund des Streites, so beschreibt es eines der nun ausgetretetenen Mitglieder gegenüber feuerwehrmagazin.de, sei eine Gruppe innerhalb der Wehr, die sich nicht an dem aktiven Dienst beteiligen möchte. Diese Gruppe hätte es vorgezogen, Alkohol zu konsumieren und den eigentlichen Feuerwehrdienst zu stören. Ein Beispiel: Mehrfach hätten aktive Feuerwehrleute nach so genannten “Dämmerschoppen” in ihren Stiefeln Kronkorken, Kaugummi und Tannenzweige gefunden. Der Alkohol sein ein konkretes Problem gewesen, so der Vorwurf. Der Bürgermeister der Gemeinde Niestetal, Andreas Siebert: “Ein exzessives Alkoholproblem in der behaupteten Art und Weise ist im Rathaus nicht bekannt. Die Wehrführung hat mit einem Alkoholverbot reagiert.” Gleichzeitig räumt das Gemeindeoberhaupt ein, dass es in der Wehr Probleme gegeben hat: “Bekannt sind seit drei Jahren anhaltende Streitigkeiten zwischen zwei Gruppierungen innerhalb der Feuerwehr.”
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Schlichtungsgespräche schlugen fehl
Mehrfach hatte es Versuche gegeben, die Probleme zu schlichten. “Die Gemeinde hat in vielen persönlichen Gesprächen, auch unter Beteiligung des Bürgermeisters versucht, zwischen den Gruppierungen zu vermitteln. Ferner wurde der Feuerwehr ein externer Mediator zur Seite gestellt. Doch sämtliche Vermittlungs- und Schlichtungsversuche schlugen fehl”, sagt Siebert. Ein Resultat aus den Gesprächen war die Forderung aus der Wehr, einen Kameraden aus der Wehr auszuschließen. Die betroffene Person galt unter den Kritikern als Kernproblem, der Mann habe seine Dienstunfähigkeit und sein Nichterscheinen zu Einsätzen und Übungen sogar vor der kompletten Wehr bekannt gegeben, hieß es aus den Reihen der Wehr. Die Wehrführung stellte an den Gemeindevorstand einen Antrag auf Ausschluss. “Diesem Antrag konnte der Gemeindevorstand nach intensiver Beratung mit dem Hessischen Städte- und Gemeindebund aus rechtlichen Gründen nicht stattgeben”, so Bürgermeister Siebert.
Bürgermeister akzeptiert die Austritte
Für viele Feuerwehrleute war jedoch das Maß voll – sie vermissten einen Rückhalt seitens der Gemeinde. In einem feuerwehrmagazin.de zugespielten Papier heißt es: “Die Austretenden können (…) es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, dass man seitens der Gemeinde keinerlei Rückhalt hat, bei der Umsetzung von geltendem Recht (…), wozu die demokratisch gewählte Führung der Feuerwehr verpflichtet ist und Verantwortung tragen muss!” Die Konsequenz: 30 von 54 Kameraden erklärten am 28. Dezember 2012 mit Wirkung zum 18. Januar 2013 ihren Austritt aus der Wehr, darunter auch der Gemeindebrandinspektor, seine Stellvertreter, beide Zugführer sowie sämtlichen Gruppenführer. Auch alle Atemschutzgeräteträger sollen ein Austrittsgesuch unterzeichnet haben. Möglicherweise anders als erwartet, akzeptierte die Gemeinde die Austritte. Der Bürgermeister verwies auf eine mangelnde weitere Kooperationsbereitschaft der Wehr, nachdem der Ausschluss abgelehnt worden war. Die Gemeinde habe ein neues Gesprächsangebot unterbreitet. “Anstatt auf das Angebot einzugehen, reagierten die Kameraden einschließlich Wehrführung mit unmissverständlich formulierten, schriftlichen Austrittserklärungen. Der Gemeindevorstand hat die Austrittserklärungen schließlich schriftlich bestätigt, da eine weitere Gesprächsbereitschaft nicht zu erkennen war”, sagt Siebert.
Zweifel an der “neuen” Feuerwehr
Aus den Reihen der ausgetretenen Kameraden werden derweil Zweifel laut, dass die nun verbliebene Mannschaft eine ausreichende leistungsstarke Feuerwehr stellen kann. Mindestens zahlenmäßig gehen die Angaben der Ehemaligen und der Gemeinde auseinander. Während aus dem Kreis der ausgetretenen Feuerwehrleuten von 24 Kräften “auf dem Papier” die Rede ist, nennt der Bürgermeister eine weitaus höhere Zahl von Aktiven. Auch die Behauptung, unter den verbliebenen Kräften seien junge Kameraden ohne Grundlehrgang, auswärts Studierende und längerfristig Kranke stellt das Gemeindeoberhaupt anders dar: “Tatsächlich sind es mittlerweile 40 gesunde Kameraden aus Niestetal oder Nachbargemeinden von denen vier Neuzugänge im März den Grundlehrgang belegen werden. Nach der Austrittswelle hat die Feuerwehr neun Atemschutzgeräteträger, zuzüglich vier Kameraden, die zurzeit augebildet werden.”
Zumindest in der ersten Phase wird der Brandschutz in der rund 10.000 Einwohner zählenden Gemeinde auch von der Berufsfeuerwehr Kassel sichergestellt. Das berichtet die HNA. Die Zeitung führte auf ihrer Website auch eine nicht repräsentative Umfrage zu dem Thema durch. Demnach äußerten von 4.121 Menschen 93,4 Prozent Verständnis für die Austrittswelle. Sie klickten die Angabe: “Der Rücktritt ist richtig. Die Aktiven setzen damit ein Zeichen.”