Gegen den Mitgliederschwund

Feuerwehr Mitgliederwerbung: Von der Brötchentüte bis zum Heißluftballon

Lütjensee (SH) – Im vergangenen Jahr zählte die FF Lütjensee (Kreis Stormarn) nur noch 39 aktive Mitglieder. Um diesen Schwund zu stoppen, organisierte die Feuerwehr eine ausgefallene Art der Mitgliederwerbung, um neue Kameraden “einzutüten”. Wir stellen Euch außerdem 13 Ideen zur Mitgliedergewinnung vor, die Ihr in Eurer Feuerwehr umsetzen könnt.

50.000 Brötchentüten als Feuerwehr Mitgliederwerbung

Wie bei vielen Freiwilligen Feuerwehren, fehlt es auch in Lütjensee an Mitgliedern. Um diese Lage zu ändern, hat sich die örtliche Freiwillige Feuerwehr nun etwas besonderes überlegt. In Zusammenarbeit mit einer lokalen Bäckerei und dem Landesfeuerwehrverband Schleswig-Holstein entwarf die Feuerwehr bedruckte Brötchentüten. In einem roten Design wird die Problematik der fehlenden Mitglieder direkt auf den Frühstückstisch gebracht. Insgesamt wurden 50.000 dieser Brötchentüten gedruckt. Unterstützend zu der Aktion gab es feuerwehrspezifisches Gebäck, sowie einen coronakonformen Stand der FF Lütjensee vor der Bäckerei.

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Durch die Aktion konnte die FF immerhin einen Zuwachs an passiven Mitgliedern verbuchen und einige neue Kameraden begrüßen. Zudem wurde auf die wichtige Arbeit der Wehr aufmerksam gemacht.

Vor der Bäckerei baute die FF Lütjensee einen Infostand auf, der von Interessierten gut besucht wurde. Foto: Julian Geisler

 

Eine Brötchentüte, um Mitglieder zu werben – eine lohnende Idee für die FF Lütjensee. Foto: Malte Kramhöft

Ein Testballon lockt zur Feuerwehr

Werbung für die Feuerwehr zu machen ist heutzutage nicht leicht, ist das Resümee vom Heidenheimer Kreisfeuerwehrverband-Vorsitzenden Uli Steeger. Info-Flyer landeten letztendlich ja doch wieder im Müll. Als zusammen mit dem Ballonpiloten und Feuerwehrmann Dennis Straub die Idee aufkam, einen ferngesteuerten Modell-Heißluftballon zur Mitgliederwerbung zu verwenden, war er daher Feuer und Flamme.

Die Feuerwehr könne den Heißluftballon in der Stadt oder bei Festen aufstellen, so Steeger. “Das zieht Kinder und Erwachsene gleichermaßen an. Der ist rot, da steht ganz groß Feuerwehr drauf, und schon haben wir einen ganz eleganten Einstieg für Gespräche und Informationen über die Feuerwehr.” Letztendlich gewann der KFV Ziegler als Sponsor und beschaffte einen Ballon.

Der Kreisfeuerwehrverband Heidenheim (BW) hat sich für die Mitgliederwerbung etwas ganz besonderes ausgedacht: Einen ferngesteuerten Heißluftballon. Foto: P. Fichte

Feuerwehr Mitgliederwerbung: Was ist grundsätzlich zu beachten?

Mitgliederwerbung wird angesichts zunehmenden Mitgliedermangels immer wichtiger für die Freiwillige Feuerwehr. Dabei gelten zwei Grundsätze, um neue Mitglieder zu gewinnen: 1. Feuerwehr muss attraktiv “verkauft” werden und 2. die Freiwilligen Feuerwehren müssen vor allem selbst aktiv werden – egal ob mit oder ohne Hilfe. Wir haben an dieser Stelle 13 interessante Ideen zusammengetragen, wie Feuerwehr Mitgliederwerbung betrieben werden kann und welche Fehler vermieden werden müssen.

Das Wichtigste: Keine Idee sollte “zufällig mal eben so” und zwischendurch umgesetzt werden. Besser ist es, wenn sich eine festgelegte Projektgruppe “Mitgliedergewinnung Feuerwehr” (möglichst nicht größer als fünf Personen) um das Thema kümmert – und eine zeitlich begrenzte, nicht zu lange Kampagnen-Aktion durchführt (zum Beispiel 6-12 Monate lang). Nur so lassen sich Erfolge messen und das Thema schläft weder bei den Initiatoren und ggf. Sponsoren, noch bei den potentiellen Adressaten und verbreitenden Medien ein. Falls erforderlich kann eine neue Kampagne mit einem neuen Ansatz gestartet werden – dann vielleicht auch mit neuem, engagierten Personal.

Innerhalb dieser Projektgruppe sollten nicht nur die “üblichen Verdächtigen” sitzen, die ohnehin schon viel Zeit für die Feuerwehr leisten. Empfehlenswert ist eher eine gute Mischung aus Führungspersonal (es muss nicht immer der Chef sein!) und einer gewissen Wehrstruktur (jüngere Mitglieder, ebenso wie ältere Mitglieder, Frauen und Männer). Außerdem denkbar und sinnvoll: der Einsatz externer Berater (vielleicht auch nur für das Brainstorming), wie etwa Journalisten, professionelle Pressesprecher oder ein Mitarbeiter einer Werbeagentur.

Ebenso wichtig: ein realistisch gestecktes Planungsziel. Niemand kann von einer freiwilligen Feuerwehr erwarten, innerhalb eines Jahres 25 neue Mitglieder aufzunehmen. Und: Vieles funktioniert nicht beim ersten Mal. Vielleicht wird bei Menschen zunächst Interesse geweckt, aber erst beim zweiten oder dritten Mal werden sie aktiv. Wiederholungen einzelner Aktionen sind deshalb unerlässlich!

13 Ideen zur Mitgliederwerbung Feuerwehr:

Mit-Mach-Tag

Ein Mit-Mach-Tag für potentielle Interessenten: Unverbindlich vorbeischauen, sehen, staunen – aber vor allem: Mitmachen! (Bitte vorher mit der jeweiligen Unfallkasse abstimmen – welche Aktion ist erlaubt, was ist versichert?) Wichtig ist dabei ein hochattraktives, ansprechendes Programm. Action bieten – besonders interessantes Gerät (zum Beispiel Chemikalienschutzanzug, Wasserwerfer, etc.), eine Vorstellung der Fahrzeuge, nicht nur einen einfachen Stand!

Tag der offenen Tür

Der Tag der offenen Tür gilt oft als verstaubt und veraltet – zu Unrecht! Auch dabei lassen sich Menschen für die Feuerwehr begeistern. Vorausgesetzt, das Programm ist attraktiv genug. Niemand wird alleine durch eine Hüpfburg, ein paar Bierbänke und eine Erbsensuppe angelockt. Besser sind  z. B. diverse Schauübungen (evtl. sogar mit Stuntman und Feuerwerker). Lieber laufend viele kleine, als nur einmal eine große. Weitere Ideen: Fotoausstellung über Arbeit und Einsätze, Videoshow von Einsätzen, Modellbauausstellung, sowie ein attraktiver Rahmen – z. B. Sonderfahrzeuge aus dem Umland, Rettungsdienst, Polizei, usw. Auch hier sollte an Mit-Mach-Aktionen gedacht werden. Wichtig: Es muss einen extra Info-Stand für potentielle Mitglieder geben (besetzt mit redegewandten, kompetenten Kameradinnen/Kameraden) – sowie immer wieder (durch Moderation) der Hinweis, dass für die Freiwillige Feuerwehr neue Mitglieder gesucht werden.

Mitgliederwerbung beim Tag der offenen Tür der Feuerwehr? Das funktioniert vielfach - allerdings nur, wenn es sich um eine sehr attraktive Veranstaltung handelt. Foto: Klöpper
Feuerwehr Mitgliederwerbung beim Tag der offenen Tür der Feuerwehr? Das funktioniert vielfach – allerdings nur, wenn es sich um eine sehr attraktive Veranstaltung handelt. Foto: Klöpper

Präsenz zeigen

Feuerwehren sollten nicht nur einladen und auf das neue Mitglied warten – sondern selbst auch an anderen Stellen Präsenz zeigen – z. B. in der Fußgängerzone an einem verkaufsoffenen Sonntag, bei Kirchengemeinden und örtlichen Betrieben. Eher weniger gut kommt meist das “Abpassen” von Passanten vor Supermärkten, Baumärkten oder ähnliches an. Nicht wenige Menschen, die eigentlich nur einkaufen möchten, fühlen sich durch so etwas belästigt. Und es kann sogar ein negativer, verzweifelt wirkender Schatten auf die Feuerwehr fallen. Die Feuerwehr Bergisch Gladbach beispielsweise sendete 33.000 Briefe an die Bewohner der Stadt. Die Ortsfeuerwehr Dieburg der oberpfälzischen Gemeinde Walderbach (Kreis Cham) hingegen verschenkte Feuerwehr-Grisus und Rauchmelder an Familien

Mundpropaganda

Nichts funktioniert so gut wie Mundpropaganda von einem begeisterten Feuerwehrmann. Wichtig ist dabei auch die Zufriedenheit und Motivation bei den bestehenden Kräften. Ein Feuerwehrmann, der zu seinem Nachbarn sagt: “Komm doch mal mit zur Feuerwehr, das ist wirklich klasse da!” wirkt um ein vielfaches besser, als jedes Plakat!

Social Media nutzen

Soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram oder Twitter erreichen kostenneutral viele Menschen. Dabei gilt es zunächst, für die Feuerwehr zu begeistern. Jedes Posting will gut überlegt sein. Außerdem sollten nur Bilder und Videos guter Qualität eingestellt werden. Erwähnt man wirklich stolz, dass die Feuerwehr zehn Stunden bei einem Brand im Einsatz war – oder ist das vor dem Gedanken neue Mitglieder zu begeistern eher kontraproduktiv? Wiederholende Botschaften sind erlaubt, die Form sollte sich aber verändern. Beispiel: Einmal gibt es ein Posting, dass noch Plätze frei sind. Beim nächsten Mal berichtet z. B. die neu gewonnene Kameradin mit einem Satz und einem Foto, was ihr an der Feuerwehr so gut gefällt. Das alles funktioniert natürlich nur, wenn die Zahl der Fans einigermaßen hoch ist – und nicht nur die bestehende Mitgliederliste umfasst…

Örtliche Medien begeistern

Örtliche Medien begeistern: Eine Pressemitteilung “Wir brauchen Mitglieder!” mag vielleicht einmal kurz abgedruckt werden. Doch das bietet selten Erfolg, schon gar keinen dauerhaften. Interessanter könnte z. B. eine Serie über die Feuerwehr sein. Eine gute Gelegenheit, um sich attraktiv zu verkaufen! Viele Zeitungen sind dankbar für professionelle Zuarbeit mit honorarfreien Bildern und Texten. Ganz besonders in der “Sauren-Gurken-Zeit” während des Sommers. Und außer der Tageszeitung gibt es vielleicht noch mehr Medien im Umland? Lokale Radiostationen, Fernsehsender, Anzeigenblätter, Blogger… Wichtig: Sprechen Sie die Redaktionen individuell an – und nicht alle zur selben Zeit.

Imagefilm / Video

Ein Imagefilm für Web oder das örtliche Kino sind eine tolle Sache – wer jedoch nicht die Möglichkeiten einer professionellen Umsetzung hat, sollte darauf lieber verzichten. Ganz wichtig: Für eine Viralität im Web (also eine automatische Verbreitung) muss das Video am besten witzig und überraschend sein – aber nicht lächerlich.

Doppelmitgliedschaften bei den freiwilligen Feuerwehren

Werben um Doppelmitglieder – in einigen Bundesländern sind Doppelmitgliedschaften bei der freiwilligen Feuerwehr erlaubt bzw. ausdrücklich gewünscht. Gezielte Werbekampagnen für Kameraden, die tagsüber in der Stadt arbeiten und die Feuerwehr unterstützen könnten, sind oftmals zielführend. Darauf setzt zum Beispiel die Sylter Feuerwehr.

Feuerwehr-AG

Eine Feuerwehr-AG in der Schule hat sich oftmals zu einem echten Treiber für die Mitgliederzahlen entwickelt. Je nach Klassenstufe meist erst als JF-Mitglieder, doch auch diese werden vielleicht später aktive Feuerwehrleute. Wenn es nicht gleich eine Feuerwehr AG sein soll – auch das Thema “Feuerwehr” in Projektwochen kommt gut an und wird von vielen Schulen gerne gesehen. Bei vorhandenen Kinderfeuerwehren kann auch der Besuch im Kindergarten schon Sinn machen.

Brandschutzerziehung

Bei der Brandschutzerziehung sollte das Thema Feuerwehr Mitgliederwerbung für die Jugendfeuerwehr nicht unter den Tisch fallen. Die ausführenden Kameradinnen und Kameraden sollten nachdrücklich und mehrfach erwähnen, dass auch für die Jugendfeuerwehr Nachwuchs gesucht wird. Entsprechendes Infomaterial, das an die Kinder – und am besten auch an die Eltern – übergeben wird, ist obligatorisch!

Infomaterial

Infomaterial muss stets professionell gestaltet sein – niemand lässt sich mit einer schlechten schwarz-weiß-Kopie eines Flyers ansprechen. Das Drucken von Flyern ist heute günstiger denn je – da kann durchaus etwas Geld für eine Gestaltung von Werbeprofis in die Hand genommen werden. Wenn es keinen Fotografen und Grafiker in der eigenen Wehr gibt: Es muss nicht immer die Kameradschaftskasse bluten – auch der Bürgermeister hat ein Interesse an ausreichend Mitgliedern und dürfte den Druck der Flyer etwas unterstützen. Einfach mal bei der Stadt oder Gemeinde anfragen! Empfehlenswert sind übrigens insbesondere lokale Motive – für einen Wiedererkennungswert und ein Verbundenheitsgefühl. Aber: Plakate und Flyer können nur noch ein Begleitmedium sein. Allein durch die Verbreitung auf diesem Weg sind kaum neue Mitglieder zu gewinnen!

Anlaufstellen nutzen

Wer neu in eine Stadt zieht, sucht vielleicht Anschluss und neue Freunde – das sollte die freiwillige Feuerwehr nutzen. Wer sich im Einwohnermeldeamt anmeldet, sollte gleich die passende Information, beispielsweise Ansprechpartner, von der Feuerwehr ausgehändigt bekommen.

Zielgruppe definieren

Jede Kampagne sollte individuell für eine bestimmte Zielgruppe ansprechend sein – nicht nur für Jugendliche oder junge Erwachsene. Auch ein 40-Jähriger kann eine tolle Verstärkung sein. Eine Definition der zu erreichenden Zielgruppe ist unerlässlich.

“Rettet die Feuerwehr” – Konzept Mitgliedergewinnung

Im August 2016 liest Alexander Döpel einer Statistik, die sein bisheriges Bild vom Feuerwehrwesen schlagartig verändert: Rund 96 Prozent der Feuerwehrleute in Deutschland sind ehrenamtlich tätig. Bislang ist der Universitätsdozent und preisgekrönte Gestalter davon ausgegangen, dass sich freiwillige und hauptamtliche beziehungsweise Berufsfeuerwehrkräfte die Waage halten würden. Anders konnte er sich die permanente Verfügbarkeit der Einsatzkräfte nicht erklären – ein weitverbreiteter Irrtum.

“Mir ist plötzlich bewusst geworden, welche ungeheure Last freiwillige Feuerwehren schultern und was dies – nicht zuletzt aufgrund des demografischen Wandels – für die künftige Einsatzfähigkeit bedeutet”, erklärt der 36-Jährige. Von Neugier angetrieben, entscheidet er sich dazu, mit seinem Freund Dr. Holger Wondraczek über die strukturellen Probleme freiwilliger Feuerwehren zu diskutieren. Der 34-jährige Wondraczek ist stellvertretender Ortsbrandmeister der FF Bucha (Saale-Holzland-Kreis).

Im Verlauf dieses Gesprächs entwickeln die zwei eine Seminaridee für das Sommersemester 2017: ein Projekt zur Rettung der freiwilligen Feuerwehren. Döpel tauft den Kurs auf den Namen “Freiwillig”.

Feuerwehrübungen verbinden

Aufmerksamkeit zu erzeugen, um die öffentliche Wertschätzung gegenüber der Feuerwehr zu steigern, so formuliert der Dozent diese Kursbeschreibung. Zehn Studierende melden sich auf Anhieb an. Diese Entscheidung haben sie nicht bereut. “Nicht nur der Praxisbezug, sondern auch die Übungen, die wir mit der Feuerwehr erleben, machen das Projekt einzigartig”, berichtet die 19-jährige Seminarteilnehmerin Anna Graf.

Feuerwehr-Einsatzkleidung inmitten eines Modegeschäftes: Damit will Anna Graf Menschen in einem Umfeld abfangen, wo sie sich ungezwungen mit dem Thema freiwillige Feuerwehr auseinandersetzen können. Foto: Graf

Für Wondraczek von der FF Bucha ist es wichtig, dass die Studierenden im Vorfeld der Konzeptphase am regulären Übungsbetrieb der Wehr teilnehmen. “Einerseits sollen die Projektteilnehmer ein realistisches Bild davon bekommen, womit sich eine kleine Wehr, wie wir es sind, auseinandersetzen muss”, erklärt der 34-Jährige. Rund 60 Kameraden sind in Bucha aktiv. “Anderseits sollen sie ein Gefühl dafür bekommen, wie variantenreich die Arbeit der Feuerwehr ist “, erläutert er weiter.

“Da haben alle erst einmal so richtig gemerkt, was die Feuerwehrleute eigentlich leisten, denn nach den Übungsdiensten waren sie fix und fertig”, sagt Projektleiter Döpel. Am Ende der zweiten gemeinsamen Übung sitzen Feuerwehrleute und Studierende gemeinsam im Feuerwehrhaus und essen Soljanka – eine säuerlich-scharfe Suppe aus dem osteuropäischen Raum – und Eierkuchen.

Vorurteile überwinden

“Wir haben zum Teil bis 23 Uhr diskutiert”, sagt Wondraczek begeistert. Dabei hat es dem Feuerwehrmann anfangs reichlich Arbeit gekostet, seine Kameraden für das Projekt zu begeistern. Einige Feuerwehrleute standen der Zusammenarbeit mit Akademikern kritisch gegenüber, weil sie altbekannte Vorurteile hegten – zum Beispiel, dass die Studierenden sich für etwas Besseres halten würden. Auch die Projektteilnehmer konnten durch die gemeinsame Zeit mit den Feuerwehrleuten, vorgefertigte Denkmuster überwinden. “Meine persönlichen Vorstellungen haben sich im Laufe des Projekts sehr stark verändert. Die meisten Menschen denken bei der freiwilligen Feuerwehr doch eher an einen dörflichen Verein, deren Mitglieder am Abend nach dem Brand gerne auch noch den Durst löschen”, führt Graf aus.

Wie ein Großteil der Gesellschaft konnten sich die Studierenden vor Projektbeginn kein Bild von der Feuerwehr machen. “Vorher war ich im Grunde vollkommen uninformiert und hatte keine rechte Vorstellung, was das Aufgabenfeld der Feuerwehren alles umfasst. Mir war auch nicht bewusst, dass der allergrößte Teil der deutschen Feuerwehren freiwillig ist”, sagt der 22-jährige Kursteilnehmer Robin Lindner.

Die Gesellschaft aufrütteln

Das erworbene Wissen, die gesammelten Erfahrungen bei den Feuerwehrübungen und der enge Kontakt zu den Feuerwehrleuten beflügelt die Projektgruppe bei der Ideenfindung. Allen Beteiligten ist schnell klar, dass sie unkonventionelle Ansätze benötigen, um Aufmerksamkeit zu generieren. “Wir wollen mit den Konzepten aufrütteln, polarisieren, den öffentlichen Kurs beflügeln”, sagt Döpel. Dazu knüpft der 36-Jährige auch Kontakt zum Thüringer Feuerwehrverband. Dieser steht der Projektgruppe beratend zur Seite und versorgt die Studierenden kontinuierlich mit aktuellen Fakten.

Ein Blickfang, der neugierig macht: Marlene Utz und Robin Lindner, zwei 22-jährige Studierende der Visuellen Kommunikation, wollen mit ihrem schwarz lackierten Feuerlöscher bewusst provozieren. Foto: Lindner

Eine Zwischenpräsentation vor den Mitgliedern der FF Buchau stellt sicher, dass die Studierenden mit ihren Ideen auf dem richtigen Weg sind. Die nächsten Wochen ist Feinarbeit angesagt. An Motivation mangelt es den Teilnehmern nicht. “Die Menschen schätzen die Feuerwehr zwar sehr, erkennen aber kaum das Privileg, überhaupt eine in ihrem Ort zu haben. Der gravierende Mitgliederschwund ist ihnen erst recht nicht bewusst”, erklärt die 22-jährige Corinna Lobinger, „den Leuten müssen die Augen geöffnet werden, da darf man sie auch mal schocken.“

Am 5. Juli ist es dann so weit: Die zehn Studierenden präsentieren ihre finalen Konzepte vor versammelter Mannschaft im Feuerwehrhaus Bucha. Die Feuerwehrleute sind begeistert.

Mit Provokation zum Erfolg

“Das größte Potenzial haben die Konzepte, die am meisten provozieren”, findet Wondraczek. Darunter die Idee von Robin Lindner und Marlene Utz: Sie wollen auf der Fläche vor dem Deutschen Bundestag 6.061 schwarz lackierte Feuerlöscher aufstellen. Die Feuerlöscher-Installation steht für die 6.061 Feuerwehren, die in den letzten 10 Jahren geschlossen werden mussten. “Einen Teil der Feuerlöscher konnten wir für die Aktion schon beschaffen, schwieriger wird es, eine Genehmigung für das Aufstellen auf dem Platz zu erhalten”, sagt Döpel. Bei so einer Aktion wäre die Wirksamkeit aufgrund des Medienechos groß, weiß der Experte.

Anna Graf setzt mit ihrem Konzept auf den Überraschungseffekt. Getreu dem Motto „Helfen kommt nie aus der Mode“ möchte sie Einsatzbekleidung inmitten von Modegeschäften platzieren. “Eine Schaufensterpuppe mit Aufsteller soll so die Menschen an Aktionstagen auf die verschiedenen Problematiken der freiwilligen Feuerwehr aufmerksam machen”, erläutert sie.

Alexander Döpel (36), Master of Arts 

“Erfolgreiche Werbekampagnen unterhalten. Sie erzählen eine relevante Geschichte, welche die Aufmerksamkeit des Betrachters weckt und bieten im besten Fall gleichzeitig einen Mehrwert. Ein Patentrezept für den Erfolg von Werbekampagnen gibt es leider nicht. Denn es spielen einfach zu viele Faktoren eine Rolle. Allerdings kann ich Ihnen einen der besten Ratschläge mit auf den Weg geben, der mir je erteilt wurde: ‚Überraschen Sie mich.‘”

Ein drittes Konzept mit konkretem, regionalem Umsetzungspotenzial stammt von Corinna Lobinger. Die 22-Jährige hat gemeinsam mit Sabrina Reis und Katharina Klemann Leitlinien für deutsche Autobahnen überausgearbeitet. Mit eindeutigen Fahrbahnmarkierungen und passenden Verkehrsschilder soll auf das richtige Bilden einer Rettungsgasse hingewiesen werden.

Auch wenn die Umsetzung der entwickelten Konzepte noch nicht absehbar ist, steht für Dr. Holger Wondraczek von der FF Bucha jetzt schon fest, dass sich das Projekt gelohnt hat. “Der Kurs hat zwei unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen zusammen gebracht hat, die sonst wahrscheinlich nie miteinander zu tun gehabt hätten und auch nie eine konkretes Bild davon bekommen hätten, was der jeweils andere so tut.” Alexander Döpel kann sich ebenfalls vorstellen, das Projekt zu wiederholen.

Feuerwehr-Mitgliederwerbung auf Fußballtrikots

Schwelm (NW) – Mitgliederwerbung auf Fußballtrikots: Der Kreisfeuerwehrverband Ennepe-Ruhr geht neue Wege bei der Suche nach neuen Mitgliedern. Am Donnerstag übergab der Vorstand des Verbandes nagelneue Fußballtrikots an die Mädchenmannschaft des TUS Wengern, die nun Werbung für die Feuerwehren im Kreisgebiet machen.

Erstmalig in der Geschichte unterstützt der Verband eine Fußball-Jugendmannschaft. Die Betreuerin des TUS Wengern, Anne Eijpe, entwickelte die Idee und stellte den Kontakt zur Feuerwehr her. “Durch das Sponsoring haben wir einen doppelten Effekt. Wir wollen zum einen die Jugend fördern. Zum anderen macht die Jugendmannschaft des TUS Wengern im ganzen Kreis Werbung für die Feuerwehren. Die Aufschrift `In unserem Team ist immer ein Platz – Feuerwehr EN´ ist ein deutliches Zeichen, so dass sich Sport und Feuerwehr verbinden”, so Präsident Rolf-Erich Rehm.

Feuerwehr-Werbung auf Trikots: Im Kreis Ennepe-Ruhr geht die Feuerwehr bei der Mitgliederwerbung neue Wege. Foto: Arndt/Feuerwehr
Feuerwehr-Werbung auf Trikots: Im Kreis Ennepe-Ruhr geht die Feuerwehr bei der Mitgliederwerbung neue Wege. Foto: Arndt/Feuerwehr (Bild: RER)

Michael Knopf (genannt Felix Knopf) ist Trainer der B-Mädchen des TUS Wengern und ist von der bisher einmaligen Aktion begeistert. Demnächst werden 18 B-Mädchen mit den nagelneuen Trikots auflaufen. “Auch bei einem internationalen Turnier in Holland wird der Kreisfeuerwehrverband Ennepe-Ruhr nun international vertreten sein”, so der Trainer.

Die Werbung auf den grün leuchtenden Trikots wird in den Städten des EN-Kreises in den nächsten Jahren sehr präsent sein. Der TUS Wengern spielt in der Kreisliga A. Bei Auswärtsspielen der erfolgreichen Mannschaft wird der Aufruf des Feuerwehrverbandes nun fast kreisweit wahrgenommen.

Feuerwehrtrikot mit dem Slogan: "In unserem Team ist immer Platz. Foto: Arndt/Feuerwehr
Feuerwehrtrikot mit dem Slogan: “In unserem Team ist immer Platz. Foto: Arndt/Feuerwehr

Text: Ann-Christin Westphal

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