Nach einem Verkehrsunfall müssen betroffene Fahrzeuge mit Hilfe von Stabilisierungssystemen gesichert werden. Und zwar unabhängig davon, ob eine Person eingeklemmt ist oder nicht. Dies gilt für sämtliche Fahrzeuge aller Bauarten. Zum einen sollen Stabilisierungssysteme verhindern, dass noch intakte Fahrzeuge wegrollen. Zum anderen soll für eingeklemmte Unfallopfer ein Überlebensraum geschaffen werden, bis diese befreit werden können.
Die Grundsatzentscheidung, wie und mit welchen Mitteln ein Unfallfahrzeug gesichert wird, trifft der für die technische Rettung zuständige Abschnittsleiter nach gründlicher Erkundung. Das eingesetzte System muss dabei so dimensioniert sein, dass es die auftretenden Lasten auch aufnehmen kann (Lkw, Bus, große Arbeitsmaschinen). Darüber hinaus sollte es so positioniert werden, dass es bei der Rettung nicht im Weg ist. Dazu sind geeignete Anschlagpunkte am Fahrzeug zu wählen.
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Weiter muss der Abschnittsleiter bedenken, dass Fahrzeuge unter Umständen bewegt werden müssen, um eine Rettung überhaupt zu ermöglichen: Umgestürzte Pkw werden beispielsweise auf die Räder gestellt, Lkw-Auflieger bei Unterfahrunfällen angehoben.
Statische und dynamische Lage
Von größter Relevanz für das Einsatzgeschehen ist, ob die Lage “statisch” oder “dynamisch” ist. Bei einer statischen Lage werden keine Veränderungen an der Stellung der vorgefundenen Fahrzeuge vorgenommen. Es gilt, die Situation “einzufrieren”, also wie vorgefunden zu sichern. Prinzipiell reicht es, die Sicherung im Einklang mit dem Rettungsweg einmalig zu setzen.
Bei einer dynamischen Lage wird mindestens ein Fahrzeug bewegt, um die Rettung zu ermöglichen. Dabei wird gezogen beziehungsweise geschoben und/oder gehoben. Insbesondere wenn gehoben wird, muss ausreichend Unterbaumaterial bereits so nahe wie möglich an die Arbeitsstelle geschafft werden, um Verzögerungen zu vermeiden
Merke: Beim Heben muss der Unterbau stetig mitwachsen und sollte nach Möglichkeit einen maximalen Abstand von 2 bis 3 Zentimeter zum Fahrzeug haben.
In den meisten Fällen reichen einfache Mittel aus. Doch nicht alles, was geeignet erscheint, ist es auch. Bestimmte Geräte sollten nur mit größter Vorsicht oder gar nicht zum Stabilisieren verwendet werden. Insbesondere gilt das für Hebemittel ohne automatische Sicherung. Darunter fallen Hebekissen, aber auch Rettungszylinder oder hydraulische Winden. Diese sind ausschließlich als Hebemittel gedacht. Beim Einsatz von Baustützen oder Schalungsstützen ist die Lastaufnahme zu beachten (je nach Modell nur 20 oder 55 Kilonewton (kN). Außerdem ist hier das Anschlagen von Spanngurten problematisch, da keine geeigneten Anschlagpunkte zur Verfügung stehen.
Einfache Mittel
Nicht jeder Unfall führt zwangsläufig zu einer starken Verformung des Fahrzeugs. Bei Verdacht auf ein schwerwiegendes Trauma (Verletzung) im Bereich der Wirbelsäule kann dennoch entschieden werden, den Patienten schonend und achsengerecht aus einem quasi intakten Pkw zu befreien. In diesem Fall muss dieser „felsenfest“ stehen.
Am Einfachsten sind immer Bordmittel wie eingelegter Gang und angezogene Handbremse. Zusätzlich können auch passende Radkeile gesetzt werden (siehe Kasten „Radkeile“). Droht das Unfallfahrzeug wegzurollen, zu rutschen oder abzustürzen, müssen Anschlag- oder Zugmittel benutzt werden. In Frage kommen zum Beispiel Spanngurte (siehe Kasten „Spanngurte“) oder der Mehrzweckzug. Diese müssen die Einsatzkräfte an stabilen Teilen wie Rahmen oder Achsen anschlagen. Merke:Die Abschleppöse ist für eine Fahrzeugsicherung nicht geeignet!
Spanngurte
Spanngurte sind ein vielseitiges und günstiges Einsatzmittel. Eigentlich zur Ladungssicherung gedacht, können sie ebenfalls im Bereich der Sicherung von Fahrzeugen eingesetzt werden. Weiterer großer Vorteil: Sie können auf dem Einsatzfahrzeug so verlastet werden, dass sie sofort einsetzbar sind (Zeitfaktor!) – entsprechende Übung vorausgesetzt.
Einsatzbeispiele:
Erstsicherung gegen Wegrollen am Hang,
Einspannen von Fahrzeugachsen,
Sichern einer Leiter bei seitliche Stabilisierung,
Sichern einer Lkw-Kabine,
Verbinden von Fahrzeugen miteinander oder mit anderen Objekten.
Merke: Spanngurte sind zum Heben nicht zugelassen! Sie dürfen maximal eine Drehung haben und die Ratsche soll immer geschlossen sein.
Um das Fahrzeug vollständig zu stabilisieren, sollte dieses unterbaut und die Luft aus den Reifen gelassen werden. Dazu sollte ein Ventildreher verwendet werden. Auf keinen Fall die Reifen zerstechen (Verletzungsgefahr, schlagartiges Aufsetzen des Fahrzeugs auf die Abstützung). Der Unterbau wird auf beiden Fahrzeugseiten unter der A- und B-Säule so gesetzt, dass keine Teile herausragen, da sie eine Stolperfalle darstellen oder bei den späteren Arbeiten im Weg sind.
Der oberste Teil eines Unterbaus sollte jeweils aus einem Keil bestehen, der handfest und möglichst formschlüssig zwischen gerade Elemente und Fahrzeug geschoben wird. Merke: „Besteht kein Kontakt zwischen Fahrzeug und Unterbau, ist dieser unwirksam.“
Produkte/Hersteller:
Formholz (zum Beispiel ein Satz Kanthölzer 10 x 10 x 50 cm mit Keilen.
In vielen Fällen lässt sich ein Fahrzeug ausschließlich mit Unterbaumaterial – hauptsächlich mit Holzkeilen – sichern. Ist der Pkw nicht stark beschädigt und befindet er sich in einer 90-Grad-Seitenlage, werden Keile zumindest unter der A- und B-Säule sowie unter den Rädern gesetzt. Je mehr Keile, desto besser.
Um das Fahrzeug auf der Unterseite zu sichern, sollten die Kräfte eine seitliche Stabilisierung einsetzen. Die einfachste Variante sind dabei Steckleitern mit Spanngurten: Zwei Steckleiterteile unter die oberen Räder des Pkw schieben, mit je einem Spanngurt die Leiterteile fixieren. Ein geeigneter Anschlagpunkt ist beispielsweise die Achse an den unteren Rädern.
Diese pragmatische Methode hat jedoch Nachteile:
Insbesondere aus der Länge der Steckleitern resultiert ein ungünstiger – weil zu flacher – Winkel, das Fahrzeug lässt sich nicht immer sicher stabilisieren.
Es können Kräfte entstehen, die zur Beschädigung der Leiter führen.
Das Einsetzen der Leitern ist je nach Lage nicht immer möglich.
Es kann nur die Unterseite des Pkw gesichert werden, auf der Dachseite lassen sich lediglich Keile setzen. Dies sorgt nur für eine teilweise Stabilität.
Radkeile
Typischerweise führen Feuerwehren keine geeigneten Radkeile für Pkw mit. Lkw-Radkeile haben einen anderen Radius und liegen nicht bündig am Pkw-Reifen an. Auffahrkeile zur Verwendung mit Seilwinden sind gänzlich ungeeignet.
Merke: Grundsätzlich in beide Richtungen einkeilen.
Auch unzureichend: das Einsetzen flacher Holzkeile. Eine einfache Lösung, auch bei schweren Fahrzeugen, ist ein Keil mit untergeschobenem Holzklotz.
Besser bewährt haben sich leichte, statische Stabilisierungssysteme. Sie sind inzwischen stark verbreitet. Ihre Aufnahmekapazität beträgt pro Element 1.000 bis 9.000 Kilogramm, was bei Pkw und Vans völlig ausreichend ist. Die Systeme bestehen aus einem teleskopierbaren Rohr und einem aufgesetzten Spanngurt. Sie sind einfach aufgebaut und leicht zu bedienen: Das Rohr an das Fahrzeug lehnen. Einen im Spanngurt geführten Haken in einer vertikalen Flucht unten an einer geeigneten Stelle am Fahrzeug einhängen. Jetzt Spanngurt festziehen – es entsteht ein Kräftedreieck. Merke: Der ideale Aufstellwinkel beträgt dabei zirka 45 Grad.
Hier gibt es – je nach Gerät – zwei Techniken: Entweder das Kräftedreieck wird über den Spanngurt erstellt (Weber Stab-Fast, Holmatro V-Strut, Linnepe CrashStay, Lukas/Vetter QuickStrut, Paratech Basic Satz) oder über das Fahrzeug selbst (Hi-Lift First Responder Jack, Paratech TVS, Schwerlast-Systeme).
Statt der Keile auf der Dachseite kann auch hier ein Stabilisierungssystem verwendet werden. Dabei ist jedoch der geplante Rettungsweg zu beachten: Soll beispielsweise das Dach heruntergeklappt werden, muss dieses frei bleiben. Die Systeme sind so flexibel einsetzbar, dass eine Vielzahl auch anspruchsvoller Lagen damit bewältigt werden kann. So können sie sogar an den Spanngurten verbunden und paarweise eingesetzt werden.
Produkte/Hersteller:
Weber Stab-Fast/Weber Stab-Fast XL.
Lukas LQS/Vetter QuickStrut.
Holmatro V-Strut.
Paratech Basic Satz sowie TVS 100/TVS 200.
Linnepe CrashStay.
Hi-Lift First Responder Jack (Dönges).
Stützen-Modulsysteme
Nach Norm ausgestattete Rüstwagen (RW) führen erweiterte Mittel zur schweren technischen Rettung mit, darunter eine eingebaute Seilwinde, Mehrzweckzug, Rüsthölzer, Baustützen, Kanalspindeln, großer Rettungszylinder sowie hydraulische Winden. Bei verunfallten Lkw ist es jedoch oft schwierig, mit diesen Mitteln einen geeigneten Anschlagpunkt zum Abstützen zu erreichen. Entweder fehlt der Platz oder der Punkt liegt zu hoch (Rahmen, Aufbau). Außerdem sind die Lastaufnahmen der Nach Norm vorgesehenen Geräte für schwere Verkehrsunfälle teilweise unzureichend.
Abhilfe schaffen modulare Rettungsstützen. Ursprünglich für Gebäudeabstützung und Tiefbauunfälle entwickelt, eignen sich diese Stützen sehr gut auch für schwere oder schwierig abzustützende Lasten: Unterfahrunfälle, verrutschte Ladung, Pkw in Seiten oder Dachlage, Zugmaschinen, Auflieger und Anhänger, Baumaschinen und landwirtschaftliche Großfahrzeuge.
Sie haben eine Aufnahmekapazität von 9 bis 14 Tonnen pro Stütze (Sicherheitsfaktor 2:1 bis 4:1) und können mechanisch, hydraulisch oder pneumatisch bedient werden. Ihr großer Vorteil liegt in der Flexibilität, denn sie lassen sich passend zur Einsatzlage konfigurieren. So sind große Platten mit geringem Bodendruck, Köpfe für die Aufnahme von Schwerlastketten, Klauen oder Dorne erhältlich.
Vorrangig arbeiten die Systeme mechanisch, indem sie die Einsatzkräfte per Hand setzen. Soll jedoch ein Objekt angehoben werden (zum Beispiel mittels Rettungszylinder), lassen sich Rettungsstützen pneumatisch beaufschlagen und „wachsen mit“. Vorteile: Der Bediener befindet sich außerhalb des Gefahrenbereichs, die Last ist immer sicher abgefangen (siehe „Statische und dynamische Lage“).
Hydraulische Stützen können auch in größeren Höhen, die von sonstigem Gerät unerreichbar sind, bis zirka 10 Tonnen heben. Die Philosophien der Hersteller unterscheiden sich, die Grundfunktion ist jedoch grundsätzlich die gleiche.