Beil und Feuerwehraxt gehören seit jeher zur Ausrüstung des Angriffstrupps bei der Brandbekämpfung im Innenangriff. Doch sind diese Geräte bei der Brandbekämpfung wirklich noch zeitgemäß? Neue Werkstoffe machen Geräte leichter und stabiler. Viele Feuerwehren verfügen bereits über vielseitigere Werkzeuge. Dazu gehören unter anderem auch das Halligan Tool – auch Hooligan Tool genannt – in Verbindung mit einem Schlagwerkzeug, zum Beispiel einem Spalthammer.
Nach gängiger Lehrmeinung sollte der Angriffstrupp auf seinem Weg durch ein Gebäude neben Beleuchtungsgerät, Wärmebildkamera, Strahlrohr und Schlauch auch immer ein geeignetes Werkzeug für die Türöffnung, das Freilegen von Brandnestern und zum Suchen und Tasten dabei haben. Jahrelang war dies – neben dem Feuerwehrbeil nach DIN 14924 am Sicherheitsgurt – eine Feuerwehraxt gemäß DIN 14900. Viele Experten halten diese Geräte aber nicht mehr für zeitgemäß.
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Da verwundert es wenig, wenn sich Feuerwehren auf die Suche nach geeignetem Ersatz machen. Einige beschafften das so genannte “Force”-Rettungswerkzeug. Dieses besteht aus einem Axt- und einem Klauenteil. An der Axtseite befinden sich mehrere Ansatzpunkte zum Hebeln und Brechen. Später kam das in den USA bereits 1940 von Chief Hugh Halligan entwickelte gleichnamige Halligan Tool nach Deutschland und fand sehr schnell Verbreitung in vielen Feuerwehren.
Mike Perrone vom Fire Department New York zeigt erste Schritte mit dem Halligan Tool.
Das Halligan Tool ist eine besondere Art der Brechstange. Auf der einen Seite sind zwei Werkzeugklingen in 90-Grad-Winkeln zueinander und zum Stiel angeordnet. Auf der anderen Seite befindet sich eine Klinge, in einem Winkel von 30 Grad oder gerade zur Stielflucht. Das Halligan Tool wird meist zusammen mit einem Spalthammer oder einer Axt eingesetzt und hat sogar Einzug in die Normen für Löschfahrzeuge (zum Beispiel Löschgruppenfahrzeug LF/HLF 10 oder LF/HLF 20, Mittleres Löschfahrzeug MLF) gefunden.
Ein weiteres Video mit Mike Perrone: Halligan Tool mit kleinen Helferlein
Auch wenn viele Feuerwehren sich jetzt ein Halligan Tool kaufen, unumstritten ist es nicht. Gerade die Funktionalität als Brechwerkzeug im Innenangriff wird häufig in Frage gestellt. Das Halligan Tool hat ein hohes Gewicht und somit ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es im Innenangriff relativ schnell liegen gelassen wird. Zudem eignet es sich nicht als Tastwerkzeug bei der Personensuche, da es für das Opfer ein hohes Verletzungsrisiko birgt.
Hinzu kommt, dass das Halligan Tool in seinem Entstehungsland einsatztaktisch anders eingebunden ist. In den USA ist es üblich, gleich zwei Trupps im Erstangriff einzusetzen. Dabei besteht die Aufgabe des einen Trupps nur darin, einen Zugang zu verschaffen. Er ist deshalb mit Brechwerkzug (meistens das Halligan Tool und Schlagwerkezug) ausgestattet. Der zweite Trupp trägt nur das Löschgerät. In Deutschland werden beide Aufgaben durch den Angriffstrupp erledigt.
In diesem Video geht es um die Zwei-Mann-Methode.
Das Werkzeug für den Angriffstrupp sollte somit geeignet sein, Hindernisse beiseite zu räumen, Brandnester freizulegen, aber auch als Werkzeug zum Tasten und Suchen taugen. Das Werkzeug sollte ständig mitgeführt werden können, da es in einer Notlage die eigene Befreiung ermöglicht. Ein schweres und unhandliches Werkzeug birgt immer die Gefahr, nach der ersten Benutzung beiseite gelegt zu werden.
Norbert Diekmann, ehemaliger Brandoberamtsrat der BF Düsseldorf, entwickelte daher aus der bewährten Feuerwehraxt ein neues Werkzeug für den Brandeinsatz. Besondere Ausstattungsdetails waren die Hebelschneide mit Drehpunkt, ein nichtleitender rutschsicherer Stiel sowie eine Stoßplatte mit Stahlkugel zum Zerstören von Glas. „Wichtig war mir auch, dass am Stielende keine Werkzeuge oder scharfen Kanten vorhanden waren, die beim Suchen und Tasten mit dem Stiel zu Verletzungen beim Opfer führen können“, so Diekmann noch kurz vor seinem Tod. Auch wenn es nicht nur Befürworter dieser Neuentwicklung gibt: Beim Tüftlerpreis des Feuerwehr-Magazins und der vfdb auf der Interschutz 2010 in Leipzig erreichte Diekmann mit seiner Neuentwicklung den zweiten Platz.
Das muss ein Feuerwehr Tool können
In der Regel werden mit den Werkzeugen vier Grundarbeiten durchgeführt. Das Rammen kommt insbesondere im Innenangriff recht häufig vor, zum Beispiel beim Öffnen von Türen oder Fenstern oder abgehängten Decken. Ein massiver Gerätestiel aus Glasfaser oder Metall ist dabei von Vorteil, da er die Lebensdauer eines Werkzeugs entscheidend verlängert. Gleiches gilt für das Zerstören von Bauteilen.
Für das Hebeln – zum Öffnen von Türen, Decken, Fußböden, Abdeckungen – muss ein abgewinkelter Hebel mit einem Festpunkt vorhanden sein. Auch hierfür sollte der Stiel aus Metall oder Glasfaser bestehen. Das Aufhebeln kommt als Tätigkeit am häufigsten vor, daher sollte es ein Hauptkriterium bei der Auswahl darstellen. Eher selten wird die Funktion Trennen angewendet, zum Beispiel beim Aufreißen einer Metalldachhaut.
Die Fahrzeugnormen schreiben für das “multifunktionale Brechwerkzeug” eine maximale Länge von 750 Millimetern vor, was aber eher mit der Lagerung des Werkzeugs im Geräteaufbau zusammenhängen dürfte denn mit der Funktionalität. Grundsätzlich gilt aber, dass Brechwerkzeuge kompakt gebaut sein und eine Länge unter 100 Zentimetern besitzen sollten. Ein Einsatz als Einreißhaken zum Herunterreißen von Decken verbietet sich dabei eigentlich von selbst. Oder stellt Ihr Euch direkt unter herunterfallende Gegenstände?
Dafür kommen entsprechende Einreißhaken mit einer Länge von wenigstens 180 Zentimetern zum Einsatz. Auch hier gibt es mittlerweile neben dem 2,5 Meter langen Standardgerät – bestehend aus Holzstiel und schwerem Eisenhaken sowie einer 2,5 Meter langen Verlängerung – verbesserte und leichter zu handhabende Alternativen. Zum Beispiel die 1,83, 2,44 oder sogar 3,05 Meter langen Modelle mit Nupla-Stiel (Glasfaser).
Achtung, Strom!
Die Glasfaserstiele können auch ein gutes Hilfsmittel beim Absuchen großer Räume – Lagerhallen, Tiefgaragen – sein. Als leichter, verlängerter Arm erlauben sie größere Suchradien als der Stiel der Axt. Ganz allgemein sollten Werkzeuge, die auch zur Personensuche in verqualmten Räumen eingesetzt werden sollen, mit einem nichtleitenden Stiel ausgestattet sein. Gleiches gilt natürlich für Einreißhaken. Denn allzu schnell kann man eine unter Spannung stehende Leitung erwischen. Mit dem aus Metall bestehenden Halligan Tool muss daher in diesen Situationen mit Bedacht vorgegangen werden.
Feuerwehr Tools: Die Sache mit dem Gewicht
Bei der Auswahl eines geeigneten Werkzeugs sollte auch auf das Gewicht geachtet werden – und zwar in zweierlei Hinsicht. Meist wird nämlich nur das zu hohe Gewicht als Ausschlusskriterium gesehen – schließlich soll der Angriffstrupp zu seiner ohnehin schon schweren Ausrüstung nicht unnötig belastet werden. Für die Funktionen “Rammen” und “Zerstören” darf das Werkzeug aber auch nicht zu leicht sein, sonst kann mit ihm die notwendige Kraft nicht aufgebracht werden. In der Praxis zeigt sich, dass Massen von 3.000 bis 3.500 Gramm das Minimum darstellen. Hierbei sollte auch den inzwischen stabileren modernen Baustoffen Rechnung getragen werden.
Bei einem Einsatz in Düsseldorf im Januar 2001 geriet ein Angriffstrupp in eine Durchzündung und versuchte die Flucht durch ein Fenster. Erst nach mehrmaligen Schlägen mit der Feuerwehraxt gelang es den Männern, die Wärmeschutzverglasung des Fensters zu zerstören, da die Axt immer wieder am Fensterglas abrutschte. Versuche an der Bergischen Universität Wuppertal bestätigten dies. Häufig wurde dabei die Mitte eines Fensters als Treffpunkt ausgewählt, in der Annahme, hier sei der schwächste Punkt. Dadurch geraten aber die Scheiben ins Schwingen, die Energie reicht für eine Zerstörung oft nicht aus. Schläge in der Nähe des Rahmens sind deutlich wirkungsvoller.
Sicherheitstipp: Beim Einschlagen von Scheiben aus dem Korb der Drehleiter oder von tragbaren Leitern darauf achten, dass sich keine Personen unterhalb – auch nicht im weiteren Umkreis des Standortes – aufhalten. Größere Glasscherben können vom Wind erfasst werden und so auch weiter entfernt aufschlagen.
Besonders viel Kraft entwickeln spezielle Rammen, wie sie von der Polizei, insbesondere den Sondereinsatzkommandos, bekannt sind. Diese kann sich die Feuerwehr selbst bauen, aber auch fertig kaufen. Zur Anwendung kommen sie jedoch nur bei stabilen Haus- und Außentüren und stellen lediglich eine Ergänzung dar.
Kleine Helferlein für den Innenangriff
Neben dem Brech- und Suchwerkzeug kann die Ausstattung sinnvoll auch durch kleine Helfer ergänzt werden. Eine Bandschlinge, die auch zum Wegziehen von Bauteilen eingesetzt werden kann, sollte ohnehin jeder Atemschutz-Geräteträger dabei haben. Auch der so genannte Neubauschlüssel – ein Werkzeug, um Türen öffnen zu können, die zwar über ein Schloss, aber noch nicht über Beschläge und Türklinken verfügen – gehört zu diesen Helfern. Ergänzen lässt sich die Ausstattung dann noch durch Keile und Klötze, um geöffnete Türen aufzuhalten oder einen geschaffenen Spalt zu sichern oder zu erweitern.
Wenn Ihr Euch für die Anschaffung eines neuen Werkzeugs entscheidet, überlegt, welche Arbeiten damit ausgeführt werden können sollen. Lasst Euch von den Firmen entsprechende Muster kommen oder vorführen. Und ganz wichtig: probiert sie auch aus: an Türen, Fenstern, Einwegpaletten, zusammen mit den Atemschutzgeräteträgern Eurer Feuerwehr.
Und was ist dann ein Hooligan Tool?
Es handelt sich definitiv um gleiche Werkzeuge. Doch da der Begriff Halligan geschützt ist, nennen viele Feuerwehrgerätehersteller ihr Produkt Hooligan Tool.