Bremen – Die Vogelgrippe breitet sich in Deutschland aus, in rasantem Tempo. Nach Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bayern wurden jetzt auch Fälle in Baden-Württemberg und Niedersachsen bekannt. Da es sich um die für Geflügel ansteckende Variante handelt, werden in den betroffenen Gebieten Schutzmaßnahmen ergriffen. Wir sagen, wie die Feuerwehren sich vorbereiten können und wie vorgegangen werden sollte.
Bei der Geflügelpest, auch unter dem Namen Vogelgrippe bekannt, handelt es sich um eine virusbedingte Tierseuche. Die Krankheit befällt alle Geflügelarten, bei Hausgeflügel werden allerdings die höchsten Erkrankungs- und Sterberaten beobachtet. Bei Hühnern und Puten können innerhalb weniger Tage bis zu 100 Prozent der Tiere eines Bestandes erkranken. Eine Übertragung vom Tier auf den Mensch ist möglich, kommt aber nur sehr selten vor. Beim aktuellen Erreger (H5N8) soll es nach Auskunft des Nationalen Referenzlabors am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) für Tierseuchen bisher noch keine nachweisliche Übertragung gegeben haben. H5N8 scheint besonders gefährlich für Waservögel und Hühner.
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Die die Geflügelpest auslösenden Influenzavirustypen, insbesondere der auch für den Menschen gefährliche Typ H5N1, sind bereits seit 1961 bekannt. 1997 trat dieser Virus nachweislich in Hongkong erstmals auf den Menschen über. Seitdem erkrankten in Asien knapp 150 Menschen an der Vogelgrippe. In fast allen Fällen erfolgte die Übertragung durch intensiven und direkten Kontakt mit erkranktem Geflügel, insbesondere mit dessen Kot und Atemwegsausscheidungen.
Zirka 100 Menschen starben seit 1997 weltweit an den Folgen der Vogelgrippe. Angesicht von rund 10.000 Todesopfern durch die menschliche Grippe allein in Deutschland (Schätzung des Robert-Koch-Instituts) in den letzten zehn Jahren erscheint das Risiko eher gering.
Feuerwehren sollten jetzt vorsorgen
Grundsätzlich sind Verdachtsfälle von Vogelgrippe erst einmal eine Angelegenheit der Veterinär- und Gesundheitsämter. Wegen der akuten Gefahrenabwehr sind die Feuerwehren dann aber schnell mit von der Partie. Mögliche Einsatzfälle sind:
Amtshilfen für Veterinärbehöden, beispielsweise zum Einsammeln von Tierkadavern oder zum Einfangen verdächtiger Tiere;
Desinfektion betroffener Ställe;
Töten von infizierten Vögeln;
Transport von Patienten;
Personen mit Vogelgrippe-Verdacht in einem Flugzeug, in einem Bus oder Zug;
Unfälle von Fahrzeugen, die verseuchtes Material transportieren;
Fahrzeugdesinfektionen an so genannten Quarantänegrenzen.
“Schon im Vorfeld sollten Maßnahmenblätter für das Auftreten der tierischen Vogelgrippe zusammengestellt werden”, empfiehlt Thomas Lembeck, der stellvertretende Leiter der Berufsfeuerwehr Essen. “Viele Dinge lassen sich nämlich nicht mehr organisieren und klären, wenn ein akuter Verdachtsfall auftritt.” Als Beispiele nennt Lembeck Wahl und Beschaffungsquellen eines geeigneten Desinfektionsmittels, von Transportbehältern für die Tierkadaver oder die Schutzkleidung. Diese Dinge sollten im Vorfeld mit den zuständigen Behörden klärend abgesprochen werden.
Das wahrscheinlichste Einsatzszenario dürfte sein: An den Rastplätzen (Seen oder in Feuchtgebieten) der in die Winterquartiere fliegenden Zugvögel werden Kadaver gefunden. So auch bei den ersten Fällen in Schleswig-Holstein in diesem Herbst. “Äußerlich ist den Tieren leider meistens nicht anzusehen, ob sie an Vogelgrippe gestorben sind”, erklärt eine Mitarbeiterin des Friedrich-Loeffler-Institutes. “Häufig wird es sich um die Todesursachen Entkräftung, Vergiftung oder Altersschwäche handeln, gerade jetzt im Herbst.”
Klarheit kann aber nur eine genaue Laboruntersuchung bringen. Ob es sich um die sehr gefährlichen H5- oder H7-Typen handelt, müssen die Experten der Landeslabore oder des Friedrich-Loeffler-Institutes ermitteln. Aktuell wird vor allem der H5N8-Typ nachgewiesen.
Selbst wenn die Zug- oder Wildvögel an Vogelgrippe gestorben sein sollten, besteht kein Grund zur Panik. Grippeviren sind im Freien nur bedingt überlebensfähig. Sonnenlicht und Wärme tragen ebenfalls zur Abtötung bei. Deshalb ist das Risiko, sich durch Berühren von gestorbenen Tieren in Deutschland zu infizieren, gering.
Es ist aber dennoch geraten, Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Zum Einsammeln von Tierkadavern reichen beispielsweise das Tragen eines Mundschutzes mit der Aufschrift “zu 99 Prozent bakteriendicht” und der Gebrauch von Einmal-Gummihandschuhen.
Während aller Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Vogelgrippe sollte grundsätzlich eine regelmäßige Händedesinfektion erfolgen – auch nach dem Ablegen von Handschuhen. Außerdem sollte es klare Regelungen zur Einsatzhygiene geben. Essen, Trinken und Rauchen während des Einsatzes darf – wenn überhaupt – nur in speziellen Aufenthaltsbereichen stattfinden. Und nur nach einer guter Eigendekontamination.
Richtige Schutzkleidung
Bei einem akuten Verdacht auf Vogelgrippe – beispielsweise auf einem Bauernhof (Hochsicherheitsrisikobereich) – sollten die Feuerwehrleute flüssigkeitsdichte Einwegschutzanzüge mit Kapuze und Bündchen an Armen und Beinen tragen. Diese lassen sich durch Klebestreifen zusätzlich abdichten. Sollten die Feuerwehren keine entsprechenden Anzüge besitzen, kann in den meisten Fällen auf Material der Veterinärämter zurückgegriffen werden. Dies ist in den Vorgesprächen zu klären.
Als Schuhwerk eignen sich nach Auskunft von Peter Sawastianow, dem langjährigen Leiter der Umweltfeuerwehr des Kreises Northeim, optimal Feuerwehr-Sicherheitsgummistiefel nach DIN EN 345. Die Gummistiefel können nach dem Einsatz problemlos desinfiziert werden. Ansonsten empfiehlt Sawastianow, Einwegschützer über den Feuerwehrstiefeln zu tragen.
Ganz wichtig: Niemals tote Vögel mit bloßen Händen anfassen. Gummi-Handschuhe mit langer Stulpe eignen sich nach den Erfahrungen Sawastianows am besten. Ansonsten können aber auch Einmalhandschuhe – wie sie auch der Rettungsdienst verwendet – getragen werden. Zur Verbesserung des mechanischen Schutzes können die Feuerwehrleute darüber noch Universal-Schutzhandschuhe ziehen. Das Risiko einer Infektion kann durch einen eng anliegenden Mund-Nasen-Schutz enorm verringert werden.
Sperrbezirke einrichten
Bei bestätigter Vogelgrippe oder sehr begründetem Verdacht muss sofort ein Sperrbezirk um das betroffene Flurstück (Stall, Garten, Wiese oder ähnliches) eingerichtet werden. In einem Radius von drei Kilometern (empfohlen) um die Ausbruchsstelle sollten alle ansteckungsgefährdeten Vögel getötet werden. Dies gehört aber nicht zu den Aufgaben der Feuerwehr. Die Kadaver müssen in speziellen Behältern zu Tierbeseitigungsanlagen geschafft werden. Dort werden sie verbrannt. Schon ab etwa 70 Grad Celsius wird der Influenza-Virus zerstört.
In einem Radius von zehn Kilometern um die vermeintliche Ausbruchsstelle sollte ein zweiter Absperrring gezogen. In diesem Bereich stehen alle Vögel unter Beobachtung. Die Tiere dürfen diese Zone nicht verlassen. Absperrmaßnahmen fallen nicht unbedingt in den Aufgabenbereich der Feuerwehr und sind auch nur im begrenzten Umfang möglich. Um die erforderlichen Maßnahmen, Anordnungen und Absperrungen durchzusetzen, bedarf es der Unterstützung durch Polizisten.
Verbreitung des Virus unbedingt verhindern
Die Verbreitung des Virus erfolgt in diesem Stadium durch kontaminierte Fahrzeuge, Personen, Geräte, Verpackungsmaterial oder ähnliches. Um einer Virusverschleppung vorzubeugen, muss am Rande des Drei-Kilometer-Radius um die Einsatzstelle eine Dekontaminationsstelle “Einsatzhygiene” eingerichtet werden.
Alle Kräfte, die bei der Tötung der Vögel, bei der Bergung der Tierkadaver oder bei der Desinfektion der Ställe eingesetzt wurden, dürfen die betroffenen Bereiche nur nach Schuh- und Kleidungswechsel sowie gründlicher Reinigung und Desinfektion verlassen. Aus diesem Grund sollte sich so wenig Personal wie möglich im Schadensgebiet aufhalten. Die Einwegschutzkleidung muss in geeigneten Behältnissen zur Entsorgung gesammelt werden. Sie wird von lizenzierten Fachfirmen vernichtet.
Dekonstelle für Fahrzeuge
Auch die Fahrzeuge und Geräte sind zu dekontaminieren. Deshalb nur die unbedingt erforderlichen Feuerwehrfahrzeuge in den inneren Absperrbereich fahren lassen. Die Festlegung, welche Personen oder Kraftfahrzeuge die Sperrzone über die Dekon-Stelle (auch Schleuse genannt) verlassen dürfen, trifft die Polizei.
Der Aufbau der Dekon-Stelle ist sowohl auf befestigten als auch auf unbefestigten Wegen möglich. Der Platz sollte allerdings waagerecht sein. Platzbedarf: zirka 30 mal acht Meter plus Aufstellfläche für Geräte und Zelt. Die Desinfektionsmittel werden in der Regel von den Veterinärämtern beschafft und der Feuerwehr zur Verfügung gestellt. Grundsätzlich sollten nur Mittel eingesetzt werden, die das Robert-Koch-Institut aufführt, die so genannten RKI gelisteten Präparate.
Für die Fahrzeugdesinfektion haben die Northeimer ein 20 Meter langes und fünf Meter breites Schleusenbecken konstruiert, das beliebig erweitert werden kann (Zwei- oder Drei-Kammersystem, Desinfektionsbad, Spülbad). Dafür werden außen jeweils 36 Holzpaletten hintereinander gelegt, den vorderen und hinteren Abschluss bilden Auffahrrampen. Holzpaletten sind in großer Stückzahl bei Unternehmen sowie Speditionen vorhanden und leicht zu verlasten. Durch ihr Eigengewicht verleihen sie der Anlage die notwendige Stabilität. Im hinteren Drittel der Wanne wird durch den Einbau von Auffahrrampen eine Unterteilung in zwei Kammern erreicht. Hier wird das überschwallende Desinfektionsmittel aufgefangen.
Das Becken wird dann mit Silofolie, unter der Kunstrasen als Druckschutz verlegt ist, ausgeschlagen. Als Fahrspuren dienen Transportbänder, dadurch ist der Betrieb auch für Traktoren und Lkw möglich. In das 16 Zentimeter tiefe Becken wird maximal zehn Zentimeter hoch Wasser gefüllt. Die Durchfahrbreite beträgt 3,5 Meter.
Wischen statt Sprühen
Das Mittel für die Unterbodendesinfektion der Fahrzeuge mischen die Northeimern in einem IBC-Behälter an. Mit einer Tauchpumpe wird es dann zu zwei Rasensprengern gepumpt. Diese stehen in der Mitte des Beckens und spritzen das Desinfektionsmittel gegen den Unterboden.
Die Fahrzeuge fahren im Schritttempo über die Unterbodendesinfektion, bis diese am Heck des Fahrzeuges wieder erscheint. Das Fahrzeug fährt anschließend noch einmal rückwärts über die Unterbodendesinfektion. Nach diesem Schritt fährt das Fahrzeug im Schritttempo bis in die Mitte des Beckens und bleibt dort stehen.
Das Fahrzeug wird nun mit zwei speziellen Desinfektionsmittel-Dosiergeräten (eins links und eins rechts) durch zwei Kameraden in den Radkästen und im unteren Bereich desinfiziert. Die Northeimer setzen dafür eine Schaumkanone “System 2” von Menno ein. Das System könnte auch über den Fahrzeugen eingesetzt werden. “Auf die Verwendung von Hochdruckgeräten sollte verzichtet werden, da durch die Dampf- und Aerosolbildung eine Kontaminations-Verschleppung durch den Wind eintreten könnte. Wischen ist Sprühen vorzuziehen”, sagt Sawastianow. “Sprühmechanismen sollten nur zur Anwendung kommen, wenn es sich wirklich nicht anders machen lässt.”