Hamburg – Organisationen wie das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) werfen der Hamburger Feuerwehr vor, bei Alarmierungen ihre eigenen Fahrzeuge zu bevorzugen und dabei verlängerte Anfahrtszeiten in Kauf zu nehmen (NDR und Süddeutsche Zeitung berichteten). Die Feuerwehr Hamburg wehrt sich gegen die Beschuldigungen und plädiert für eine einheitliche Notrufnummer. Eine Kleine Anfrage an den Hamburger Senat bestätigt nun, dass die von NDR und Süddeutscher Zeitung beschriebene Alarmierung eines RTW vom ASB nicht vertragskonform abgelaufen ist. Erst mit 7 Minuten Verzug sei der Notruf an die Rettungsleitstelle der Feuerwehr Hamburg weitergeleitet worden.
Am 25. Juli 2017 veröffentlichen Norddeutscher Rundfunk (NDR) und Süddeutsche Zeitung (SZ) zeitgleich ihre Recherchen zu dem Konflikt. Aus den Berichten geht hervor: Die Feuerwehr ziehe die Alarmierung ihrer eigenen Fahrzeuge vor, selbst wenn Rettungswagen (RTW) einer anderen Organisation näher am Einsatzort seien. Ein schwerer Vorwurf, da es bei Rettungseinsätzen häufig um Minuten und das Leben von Menschen geht. Dieses Verhalten in der Leitstelle sei laut Bericht auch einer der Gründe, warum die Feuerwehr ihre Hilfsfristen so häufig nicht einhalten könne.
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“Wenn ich von nahezu allen Kollegen aus dem Rettungsdienst davon höre, dass sie bei der Bereitschaft auf ihrer Wache beobachten, wie Rettungswagen von der Feuerwehr mit Blaulicht an der Wache vorbeifahren – zu Einsatzstellen, die sich zum Teil nur wenige hundert Meter vor der DRK-Wache befinden – dann können das keine Einzelfälle mehr sein. Dann muss man irgendwann davon ausgehen, dass das am System liegt”, sagt Harald Krüger, Vorstand des DRK Kreisverband Hamburg-Harburg, gegenüber dem Feuerwehr-Magazin.
Update: Eine Kleine Anfrage an den Hamburger Senat bestätigt, dass die von NDR und Süddeutscher Zeitung beschriebene Alarmierung des RTW vom ASB nicht vertragskonform abgelaufen ist. Erst mit 7 Minuten Verzug sei der Notruf an die Rettungsleitstelle der Feuerwehr Hamburg weitergeleitet worden.
Auswahl der Rettungsmittel in der Leitstelle
Doch wie funktioniert die Auswahl von Rettungsmitteln in der Leitstelle? “Ganz einfach. Das dichteste Rettungsmittel wird alarmiert”, berichtet uns Werner Nölken, Pressesprecher der Feuerwehr Hamburg. “In über 90 Prozent der Fälle passiert das automatisch durch den Einsatzleitrechner. Ein Algorithmus rechnet aus, welches als ‚einsatzbereit‘ gemeldete Fahrzeug am nächsten dran ist und sogar, ob es beispielsweise in der richtigen Fahrtrichtung steht. Außerdem werden Rettungswagen vom Algorithmus bevorzugt, die den Status ‚einsatzbereit über Funk‘ angegeben haben. Sie sind in der Regel schneller, als Fahrzeuge deren Besatzung sich auf der Wache befindet”, erläutert Nölken das Verfahren. “Entscheidet sich ein Disponent dazu, händisch ein Rettungsmittel festzulegen, muss er dies begründen, da dabei natürlich Zeit verloren geht.”
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Drei Standorte von HiOrgs seien in den öffentlichen Rettungsdienst, gleichwertig einer Wache der Feuerwehr, eingebunden. Alle weiteren Standorte von DRK, ASB, Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) und Malteser Hilfsdienst (MHD) sind in erster Linie für den Krankentransport bestimmt. Befinde sich auf einem dieser Standorte ein Krankentransportwagen mit einer Rettungswagenbesatzung, könne auch dieser als Rettungsmittel von der Rettungsleitstelle angefordert werden. Dabei gilt aber: Der vorausgehende Notfall müsse sich in der “unmittelbaren Nähe” zum Standort befinden. Diese Eingrenzung erstrecke sich auf die direkt angrenzenden Straßen beziehungsweise einem Umkreis von etwa 200 Metern um den Standort der Hilfsorganisation.
Feuerwehr fordert einheitliche Notrufnummer
NDR und SZ berichten über einen konkreten Einsatz, bei dem ein Rettungswagen des ASB noch auf der Einsatzfahrt von der Leitstelle der Feuerwehr abbestellt und durch ein Feuerwehrfahrzeug ersetzt wurde. Der RTW setzte dennoch seine Fahrt zum Einsatz fort. Erst fünf Minuten nach seinem Eintreffen kam das Fahrzeug der Feuerwehr an.
“Der Notruf kam über die eigene Nummer vom ASB”, so der Pressesprecher der Feuerwehr. “Vertraglich ist festgelegt, dass die Hilfsorganisationen unsere Leitstelle umgehend über Notrufe an ihre Leitstelle in Kenntnis setzen müssen. Dies ist in diesem Fall erst mit einer Verzögerung passiert. Der Disponent ist davon ausgegangen, dass der RTW sich noch nicht auf der Anfahrt befunden hat. Er entschied sich daher dafür, ein Feuerwehrfahrzeug zu alarmieren, das auf einer Wache stand, die sich 2 Minuten näher an der Einsatzstelle befindet”, sagt Nölken weiter. “Das wäre nicht passiert, wenn es nur eine Notrufnummer – die ‚112‘ – geben würde.”
“Wir haben keine eigenen Notrufnummern”, entgegnet Harald Krüger vom DRK. “Es kommt allerdings schon vor, dass wir über unsere Nummer für den Krankentransport einen Notruf bekommen. Das ist meiner Meinung nach etwa 80 Mal im letzten Monat passiert”, so Krüger weiter. “Das sind dann meistens Arztpraxen, die unsere Nummer als Schnellwahltaste festgelegt haben. Wenn so etwas passiert, dann übertragen wir den Fall aber umgehend in das Rechnersystem der Feuerwehr, von wo aus dann die Rettungsmittel angefordert werden.”
Nölken fordert daher: “Die Leitstellen der Hilfsorganisationen sollten, sobald klar wird, dass es sich um einen Notruf und keinen Krankentransport handelt, den Anruf direkt an die Rettungsleitstelle der Feuerwehr weiterleiten.”
Feuerwehrchef Klaus Maurer äußerte schließlich in einem feuerwehrinternen Informationsblatt zu der Diskussion, dass die Feuerwehr “anders als Unternehmen der Hilfsorganisationen und Dritte” nicht gewinnorientiert sei.
Harald Krüger dazu: “Der Rettungsdienst in Hamburg wird zwar über Tochterunternehmen des DRK durchgeführt, die Tochterunternehmen von Hilfsorganisationen sind aber immer noch Hilfsorganisationen. Wir dürfen damit also gar keine Gewinne generieren.”
Schnelle Anfahrtszeiten in Hamburg
Die Feuerwehr Hamburg hat sich eine Hilfsfrist von 8 Minuten als Ziel gesetzt. Im Jahr 2016 wurden zirka 85.000 Einsatzstellen nicht innerhalb der Hilfsfrist erreicht. Das entspricht einem Drittel der insgesamt etwa 255.000 Rettungsdiensteinsätze.
Nölken: “Das ist richtig. Man muss aber die Bedingungen genauer betrachten. Die Feuerwehr in München beispielsweise hat eine sehr gute Bilanz. Die Münchner haben eine Hilfsfrist von 11 Minuten festgelegt, die aber zudem erst ab dem Ausrücken gilt. Die Hilfsfrist bei uns gilt vom Notrufeingang bis zum Eintreffen und beträgt 8 Minuten. Würden wir die gleiche Frist wie München festlegen, könnten wir in Hamburg fast 100 Prozent der Hilfsfristen einhalten.”