Vorsicht bei der Amtshilfe

Amtshilfe für die Polizei: Gefahr für die Feuerwehr?

Echterdingen (BW) – Wenn die Polizei Amtshilfe anfordert, kann es für Einsatzkräfte der Feuerwehr schnell brenzlig werden. Um die rechtliche Notwendigkeit eines Feuerwehr-Einsatzes vor Ort abzuschätzen, bleibt zudem kaum Zeit. Bei unzulässiger Amtshilfe kann jedoch das Ansehen der Feuerwehr und sogar der Versicherungsschutz von Einsatzkräften gefährdet sein.

Als am Montagabend ein 21-Jähriger auf dem Dach einer Asylunterkunft randalierte, bat die Polizei um Amtshilfe. Die Feuerwehr Echterdingen holte den Mann im Korb einer Drehleiter vom Dach und übergab ihn dem Rettungsdienst. Foto: 7aktuell/Adomat

Inhalt:
Amtshilfe: Heikle Aufgabe für die Feuerwehr
Rechtliche Voraussetzungen und Grenzen
Feuerwehr muss sich von Polizei-Aufgaben abgrenzen
Rechtsgutachten soll Feuerwehr schützen
Unzulässige Amtshilfe-Ersuchen der Polizei

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Ein 21-jähriger Flüchtling befand sich am Montagabend auf dem Dach einer Asylunterkunft in Echterdingen (Kreis Esslingen) und rief die Polizei auf den Plan. Wie die “Esslinger Zeitung” berichtet, reagierte der Mann beim Eintreffen der Polizeibeamten psychisch auffällig und war offensichtlich alkoholisiert. Er begann ferner, mit Gegenständen um sich zu werfen. Die Polizei sah keine Möglichkeit, auf das Dach zu gelangen und forderte daraufhin Amtshilfe bei der Feuerwehr an. 

Nachdem diese mit einer Drehleiter eintraf, konnten dem Zeitungsbericht zufolge Polizisten den Randalierer überwältigen. Die Feuerwehr rettete den Festgenommenen mit der Drehleiter vom Dach und übergab ihn an den Rettungsdienst zum Transport in eine Psychiatrie.

Amtshilfeersuchen wie dieses sind auf den ersten Blick zwar nicht die Routine im Feuerwehralltag, scheinen aber ohne Brisanz. Doch ein solcher Einsatz kann sich ganz anders entwickeln.

Amtshilfe: Heikle Aufgabe für die Feuerwehr

Am 19. September 1997 fuhren Polizeikräfte gegen 6 Uhr nach Uchte (NI, Kreis Nienburg/Weser), um eine achtköpfige kurdische Familie in die Türkei abzuschieben. Nachdem sie die Kinder und die Mutter festgenommen hatten, flüchtete der Vater und kletterte auf das Dach des zweigeschossigen Wohnhauses. Er kündigte an, springen zu wollen. Daraufhin ließ die Polizei über die Leitstelle die Freiwillige Feuerwehr Uchte unter anderem mit einer Drehleiter alarmieren.

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Der verzweifelte Mann drohte damit, sich umzubringen. Nach einem gescheiterten Versuch sein Hemd anzuzünden, sammelte er Dachpfannen auf und verletzte sich damit am Kopf. Die Einsatzleitung veranlasste umgehend das Anleitern am Haus, doch der kurdische Familienvater konnte die Leiter wegtreten. Als die Polizei gleichzeitig über die Drehleiter und über ein Fenster versuchte, den Mann zu überwältigen, warf dieser mit den Dachpfannen auf die Einsatzkräfte der Feuerwehr und Polizei. Um die Gefahr abzuwenden, richtete ein Feuerwehrmann einen Sprühstrahl auf ihn. Durch diese Überraschung gelang dem Polizisten im Korb der Drehleiter schließlich die Festnahme.

In der Nachbesprechung des Einsatzes stießen die Beteiligten von Feuerwehr und Polizei damals auf viele Grenzbereiche der Zusammenarbeit. Und es kam die Frage auf, wie weit Amtshilfe reichen darf. Eines der Hauptprobleme: der Polizeibeamte im Drehleiterkorb trug Feuerwehrjacke und -Helm zum Schutz vor den Dachpfannen. Während des Einsatzes wurden die Feuerwehrleute beschimpft. Worte wie “Nazi-Schweine” und “Mörder” fielen. 

Ein von uns befragter Jurist kam damals zu dem Schluss: Rein rechtlich habe die Feuerwehr sich nichts zu schulden kommen lassen (das Tragen fremder Einsatzkleidung wurde dabei nicht mit einbezogen).

Amtshilfe: rechtliche Voraussetzungen und Grenzen

Aus Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), Paragraph 5:

(1) Eine Behörde kann um Amtshilfe insbesondere dann ersuchen, wenn sie

  1. aus rechtlichen Gründen die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann;
  2. aus tatsächlichen Gründen, besonders weil die zur Vornahme der Amtshandlung erforderlichen Dienstkräfte oder Einrichtungen fehlen, die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann;
  3. zur Durchführung ihrer Aufgaben auf die Kenntnis von Tatsachen angewiesen ist, die ihr unbekannt sind und die sie selbst nicht ermitteln kann;
  4. zur Durchführung ihrer Aufgaben Urkunden oder sonstige Beweismittel benötigt, die sich im Besitz der ersuchten Behörde befinden;
  5. die Amtshandlung nur mit wesentlich größerem Aufwand vornehmen könnte als die ersuchte Behörde.

(2) Die ersuchte Behörde darf Hilfe nicht leisten, wenn

  1. sie hierzu aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist;
  2. durch die Hilfeleistung dem Wohl des Bundes oder eines Landes erhebliche Nachteile bereitet würden.

Die ersuchte Behörde ist insbesondere zur Vorlage von Urkunden oder Akten sowie zur Erteilung von Auskünften nicht verpflichtet, wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen.

(3) Die ersuchte Behörde braucht Hilfe nicht zu leisten, wenn

  1. eine andere Behörde die Hilfe wesentlich einfacher oder mit wesentlich geringerem Aufwand leisten kann;
  2. sie die Hilfe nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand leisten könnte;
  1. sie unter Berücksichtigung der Aufgaben der ersuchenden Behörde durch die Hilfeleistung die Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben ernstlich gefährden würde.

Doch die Wahrnehmung der Freiwilligen Feuerwehr in der Bevölkerung hat sich nach dem Einsatz vermutlich verändert.

Feuerwehr muss sich von Polizei-Aufgaben abgrenzen

In unserer Reportage über ein Deeskalationstraining bei der BF Bremerhaven stellte Polizeihauptkommissar und Deeskalationstrainer Tim Tietje klar: “Es ist wichtig, dass die Feuerwehr keine Polizei-Aufgaben übernimmt und sich von diesen klar abgrenzt, um nicht als „Staatsgewalt“ aufzutreten.” Dies sei grundlegend für die Wahrnehmung in der Bevölkerung. 

Ähnlich äußerte sich auch ein Arbeitskreis, der am 26. Januar 2018 im Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen (IdF NRW) in Münster zur Veröffentlichung der einer Studie zum Thema „Gewalt gegen Einsatzkräfte“ tagte: Menschen, die aus anderen Kulturkreisen nach Deutschland kämen, würden die Feuerwehr in ihren Heimatländern zum Teil als repressives Staatsorgan kennen.

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Bei einer angeforderten Amtshilfe durch die Polizei müsse die Feuerwehr daher auch in Betracht ziehen, negativ wahrgenommen zu werden. Obwohl die Hilfeleistung an sich rechtlich auf sicherem Terrain steht. Für den Einsatzleiter ist es in solchen Situationen wichtig, zu wissen, wann eine Amtshilfe abgelehnt werden kann.

Insbesondere sollten die Feuerwehrleute darauf achten, keine Aufgaben durchzuführen, die klar im Bereich der Vollzugsbeamten liegen (sprich: in Rechte Dritter eingreifen). Dass die Polizei durchaus Amtshilfe anfordert, die sowohl das Ansehen als auch die Gesundheit der Feuerwehr gefährden kann, zeigt schließlich ein Gutachten von ver.di.

Rechtsgutachten soll Feuerwehr schützen

Mit Sorge beobachtet die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) seit einiger Zeit “zahlreiche rechtswidrige Amtshilfeersuchen durch die Polizei an die Feuerwehr”. Feuerwehrleute seien mehrfach bei der Bekämpfung von Polizeigefahren eingesetzt worden. Die Gewerkschaft will auch den Grund dafür kennen: “Kostenersparnis oder das Bestreben, eine kommunale Aufgabe dem Land zu unterstellen.”

Die Gewerkschaft hat mit Unterstützung der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e. V. (vfdb) ein Rechtsgutachten erstellen lassen, durch das die „Verpolizeilichung“, so Ver.di, kommunaler Feuerwehren und Rettungsdienste abzielen, Einhalt geboten werden soll. Verfasser des Gutachtens ist Abteilungsleiter a. D. im Deutschen Städtetag Ursus Fuhrmann, ehemals zuständig für Staatsrecht, Kommunalverfassungsrecht, Feuerwehr‐ und Rettungswesen.

Ziel des Gutachtens sei es, die kommunalen Feuerwehrkräfte davor zu bewahren, als Hilfsressource der staatlichen Polizei eingesetzt zu werden. Denn die Feuerwehr dürfte entsprechend des Brandschutzgesetz nur zur Bekämpfung von Brandgefahren und spezieller Technischer Hilfeleistung, nicht aber zur Bekämpfung von Polizeigefahren eingesetzt werden.

Erleiden Feuerwehrkräfte im Falle des Einsatzes zur Bekämpfung von Polizeigefahren Schäden an ihrer Gesundheit oder kommen sie gar ums Leben, sei ihr Versicherungsschutz beziehungsweise der ihrer Hinterbliebenen gefährdet. Denn dieser bezieht sich nur auf Gefährdungen bei der Erfüllung feuerwehreigener Aufgaben. Dies gelte ganz besonders für die Freiwillige Feuerwehr.

Paralleler Einsatz von Polizei und Feuerwehr bei einer Demonstration in Dresden. Die Gewerkschaft ver.di fordert eine klare Abtrennung. Foto: News5
Paralleler Einsatz von Polizei und Feuerwehr bei einer Demonstration in Dresden. Die Gewerkschaft ver.di fordert bei Amtshilfeeinsätzen die Einhaltung von Grenzen. Foto: News5

Unzulässige Amtshilfe-Ersuchen der Polizei

Die gravierendste Entwicklung zur „Verpolizeilichung“ der kommunalen Feuerwehren hat laut ver.di mit dem Abschluss der Verwaltungsreform im Jahre 2005 in Niedersachsen stattgefunden. Dort sind die kommunalen Feuerwehren der Aufsicht der staatlichen Polizeidirektionen und des Landespolizeipräsidiums im Innenministerium unterstellt worden.

Während alle sonst von den Kommunen (und Gemeinden) wahrgenommenen Selbstverwaltungsaufgaben der Rechtsaufsicht der Kommunalabteilung im Innenministerium obliegen, wurden die kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben des Brandschutzes und der Technischen Hilfeleistung der Rechtsaufsicht (Kommunalaufsicht) der staatlichen Polizei unterstellt.

Bundesweit seien Besorgnis erregende Einsätze von Berufsfeuerwehrkräften und Kräften der Freiwilligen Feuerwehr sowie von deren Ausrüstung zur Bekämpfung von Polizeigefahren in, laut ver.di, “falsch verstandener (rechtswidriger) Amtshilfe” zu beobachten.

Einige Beispiele aus Baden‐Württemberg würden diese verdeutlichen. Feuerwehrkräfte seien bei einer Kindesentführung gegen Gewalttäter eingesetzt worden, Polizeikräfte setzten Feuerwehruniformen zur Einsatztarnung ein (obwohl das Benutzen fremder Uniformen den Straftatbestand des § 132a Abs. 1 Nr. 4 des Strafgesetzbuches erfüllt) und ein Tanklöschfahrzeug mit freiwilligen Feuerwehrkräften sei auf der Autobahn zum Rammen eines mit einem Bundeswehrlastwagen amokfahrenden Soldaten eingesetzt worden, wobei akute Lebensgefahr für die Feuerwehrkräfte bestand.

Solche Fälle seien mit den Grundsätzen der Amtshilfe im Verhältnis von Polizei und Feuerwehr nach der Verwaltungsverfahrensgesetzgebung der Länder unvereinbar. Weder Personal der Feuerwehr noch mit der Farbe der Feuerwehr versehene Ausrüstung darf bei der Bekämpfung von Polizeigefahren eingesetzt werden.

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