Paderborn (NW) – Hat die Feuerwehr in Deutschland ein Problem mit Vielfalt beziehungsweise Verschiedenheit? Dieser Auffassung scheint man zumindest an der Universität Paderborn zu sein. “Heterosexuelle, weiße Männer aus der Arbeiterschicht sind bei der Feuerwehr unter sich”, hat eine Professorin festgestellt. Und diese Gruppe stehe Änderungen von Routinen und Arbeitsabläufen skeptisch gegenüber.
Eine wissenschaftliche Studie an der Universität Paderborn beschäftigt sich bis Ende 2020 mit der Vielfalt (Diversität) bei der Feuerwehr in Deutschland. Mit “Fortesy” ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Projekt gestartet, das neue Ansätze zur Effizienz und Sicherheit im Feuerwehrwesen untersucht. Die ersten Aussagen lassen aufhorchen: „Weiße, heterosexuelle Männer aus der Arbeiterschicht stellen bei der Feuerwehr die Mehrheit dar und prägen das Bild des typischen Feuerwehrmannes“ und “Ein zentrales Problem in vielen Feuerwehren: Frauen und Migranten sind nicht nur unterrepräsentiert, sondern häufig auch unerwünscht”, heißt es in einer Pressemitteilung der Universität.
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Doch worum geht es eigentlich? Sehr vereinfacht ausgedrückt, soll untersucht werden, welche Faktoren die Zusammenarbeit in Teams fördern und welche sie behindern. Es soll auch aufgedeckt werden, unter welchen Bedingungen sich die Organisationen gegenüber gemischten Einsatztruppen öffnen und welche Rolle Technik bei der Integration spielt.
Feuerwehren gelten als veränderungsresistent
„Wir beziehen Daten zu Ausbildung, Mitgliedschaft und Funktion in unsere Studien ein“, erklärt Prof. Dr. Ilona Horwath, Inhaberin der Professur für „Technik und Diversität” an der Universität Paderborn und Leiterin der Studie. „Außerdem analysieren wir, welche Herausforderungen es aus Sicht der Feuerwehrleute gibt und weshalb Interkulturalität überhaupt als Problem empfunden wird.“ Dabei gelte es auch zu bedenken, welche Kompetenzen Feuerwehrleute in heterogenen Teams mitbringen müssten, um zu einer erfolgreichen Umsetzung beizutragen. Letztendlich sollen Gestaltungsempfehlungen entstehen, die auch anderen Organisationen an die Hand gegeben werden können. „Einrichtungen, die im Bereich der Migrations- und Flüchtlingsarbeit tätig sind, können von den Ergebnissen profitieren“, so die Wissenschaftlerin.
In der Forschungsliteratur gelten Feuerwehren als besonders veränderungsresistent. „Änderungen von lange praktizierten Routinen oder Arbeitsabläufen werden dann als kritisch angesehen, wenn zugrunde liegende Orientierungen und Werte infrage gestellt werden“, weiß Horwath. Der Spagat zwischen etablierten Verfahren, die gerade in Gefahrensituationen wichtig sind, und neuen Methoden sowie einer situationsspezifischen Ausgestaltung der Routinen sei schwierig, sagt die Expertin und ergänzt „Dabei könnten die interkulturellen Kompetenzen gewinnbringend eingesetzt werden, insbesondere vor dem Hintergrund unserer multikulturellen Gesellschaft.“