Wien (Österreich) – Ein großes internationales Forschungsprojekt unter Leitung der Technischen Universität (TU) Wien konnte nach eigenen Angaben erstmals nachweisen, dass der Klimawandel das Ausmaß von Hochwasserereignissen verändert.
Der österreichische Hochwasserspezialist Prof. Günter Blöschl von der TU Wien leitete eine große internationale Studie, an der insgesamt 35 Forschungsgruppen beteiligt waren. Dabei zeigte sich laut der TU klar: Veränderungen im Ausmaß von Hochwasserereignissen, die in den letzten Jahrzehnten beobachtet wurden, lassen sich eindeutig auf den Klimawandel zurückführen. Allerdings wirkt sich der Klimawandel nicht überall gleich auf das Hochwasser aus: In Nordwesteuropa würden die Hochwasserereignisse immer schwerer, in Südeuropa und in Osteuropa nähme hingegen das Ausmaß der Hochwasser eher ab, wobei es in kleinen Gebieten aber auch zu einer Zunahme kommen kann. Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal „Nature“ publiziert.
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“Aus unseren bisherigen Forschungen wussten wir bereits, dass der Klimawandel den Zeitpunkt verschiebt, an dem es in verschiedenen Regionen Europas zu Hochwasser kommt”, sagt Günter Blöschl. “Doch die entscheidende Frage ist: Bestimmt der Klimawandel auch das Ausmaß von Hochwasserereignissen? Um das zu beurteilen reichte die Datenlage bisher nicht aus. Wir haben das ausführlich untersucht und können nun klar sagen: Ja, der Einfluss des Klimawandels ist hier eindeutig erkennbar.”
Für die Studie wurden Daten von 3.738 Hochwassermessstationen aus ganz Europa ausgewertet, aus dem Zeitraum von 1960 bis 2010. “Schon seit langer Zeit wurde vermutet, dass der Klimawandel einen Einfluss auf die Wassermenge bei Hochwasserereignissen hat, weil eine wärmere Atmosphäre mehr Wasser speichern kann”, erklärt Günter Blöschl. “Allerdings ist das nicht der einzige Effekt, die Sache ist komplizierter.”
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Bei der Auswertung der Daten zeigten sich in unterschiedlichen Regionen Europas unterschiedliche Trends: In Mittel- und Nordwesteuropa, zwischen Island und Österreich, nähme das Ausmaß von Hochwasser zu, weil dort die Niederschläge zunehmen und die Böden feuchter werden. In Südeuropa hingegen würden Hochwasser eher zurückgehen – dort führe der Klimawandel zu Rückgängen bei den Niederschlägen, zusätzlich sorgten die höheren Temperaturen für verstärkte Verdunstung des Wassers im Boden. Allerdings könnten bei kleinen Flüssen die Hochwässer größer werden – wegen häufiger Gewitter und Abholzung der Wälder. Im kontinentaleren Klima Osteuropas gehe das Hochwasser-Ausmaß ebenfalls zurück, dort liege das am Rückgang der Schneedecke im Winter, die mit den höheren Temperaturen einher ginge. “Es gibt also kein europaweit einheitliches Bild – aber die regionalen Entwicklungen entsprechen alle den vorhergesagten Klimaveränderungen”, sagt Blöschl. “Das zeigt uns: Wir sind bereits mittendrin im Klimawandel.”
Drastische Auswirkungen erwartet
Das Ausmaß der Veränderungen sei bemerkenswert: Sie reichen (jeweils gemessen am langjährigen Mittelwert) von einem Rückgang von 23,1 Prozent pro Dekade bis zu einer Zunahme der hochwasserbedingten Wassermengen von 11,4 Prozent pro Dekade. Wenn sich diese Trends ungebremst fortsetzten, sei mit drastischen Auswirkungen auf das Überflutungsrisiko in vielen Regionen Europas zu rechnen.
Günter Blöschl plädiert dafür, diese Erkenntnisse in allen Ländern Europas in zukünftigen Hochwasserschutz-Überlegungen mit einzubeziehen: “Unabhängig von notwendigen Anstrengungen, den Klimawandel zu bremsen, werden wir die Auswirkungen dieser Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten deutlich spüren”, meint Blöschl. “Das Hochwassermanagement muss sich an diese neuen Realitäten anpassen, sonst werden die jährlichen Hochwasserschäden noch schneller steigen als bisher.”