Rotterdam (NL) – Rotterdam besitzt einen der größten Seehäfen der Welt. Für den Brandschutz sorgt die Gezamenlijke Brandweer (GB, Gemeinsame Feuerwehr) – eine öffentlich-private Partnerschaft von rund 60 Unternehmen und der Stadt. Sie ist mit neun Standorten und 250 Einsatzkräften eine der imposantesten Werkfeuerwehren Europas.
Die Gezamenlijke Brandweer gibt es seit 1998. Mit heute 310 Mitarbeitern – davon 250 Feuerwehrleuten – auf neun Standorten hat sich die Größe der GB im Laufe der Zeit fast verdoppelt. Zwei der neun Wachen sind mit freiwilligen Feuerwehrleuten besetzt. In allen anderen Standorten befinden sich nur Hauptamtliche.
Die gesamte Reportage über die Werkfeuerwehr im Hafen Rotterdam könnt Ihr im Feuerwehr-Magazin 2/2020 auf 11 Seiten lesen. Oder im Komplett-Download Hafen & Stadt: Die Brandweer in Rotterdam-Rijnmond
Jede der Wachen (Brandweerkazernen) nimmt eine Spezialaufgabe wahr. Wie zum Beispiel den Drohneneinsatz, die Rettung aus Höhen und Tiefen, die Schiffsbrandbekämpfung, die Wasserrettung oder die Ölschadensbeseitigung. Es gibt zudem eine Dekontaminationseinheit für CBRN-Einsätze (chemische, biologische, radiologische und nukleare Gefahren), eine Kazerne mit Cobra-Hochdruck-Löschsystem sowie eine Einheit für die Industrielle Brandbekämpfung, die sich aus mehreren Standorten zusammensetzt: den Industriële Brandbestrijdingspool (IBP).
Kernstück der IBP sind zwei als Abrollbehälter ausgeführte Blusunits (deutsch: Löscheinheiten), die aus mannshohen Monitoren je 37.500 Liter Schaum pro Minute bei 9 bar und einer Wurfweite von 150 Meter abgeben können. In ihnen befindet sich sowohl eine Pumpe als auch eine Schaumzumischanlage. Das benötigte Löschwasser wird zunächst von den Pumpen der Lösch- und Patrouillenboote (niederländisch: Incidentbestrijdingsvaartuig, IV) der Port Authority aus dem Hafenbecken gefördert und über einen Abrollbehälter mit Verstärkerpumpe (Manifoldunit, deutsch: Multifunktionseinheit) zu den Blusunits geleitet.
Das Schaummittel bezieht die Spezialeinheit aus insgesamt sechs Containern auf Sattelaufliegern mit je 20.000 Liter Schaummittel und eigener Pumpe. Als Reserve stehen weitere Abrollbehälter Schaum (Schuimvormend Middel Haakarmbak, SVH) mit je 10.000 Liter Schaummittel bereit.
Ölspuren beseitigen für Große
“Die häufigsten Einsätze für uns im Hafengebiet sind Ölschäden”, berichtet Jan Waals, Direktor der GB. Schermenpool Rotterdams Havengebied (SRH) ist eine spezialisierte Einheit für die Ölschadensbekämpfung im Hafen. Es handelt sich dabei um eine als Stiftung organisierte Kooperation zwischen der Hafengesellschaft Rotterdam (niederländisch: Havenbedrijf Rotterdam; englisch: Rotterdam Port Authority, RPA), dem Wirtschaftsverband der Hafen- und Industrieunternehmen in Rotterdam (Deltalinqs) und der GB.
Die Ölwehr verfügt über 15 Abrollbehälter Ölsperre (Hakaarmbak Oilboom) mit insgesamt über 5 Kilometer Ölsperren. Kommt es zu einem Ölunfall, wird unter der Leitung der Harbour Master’s Division (DHMR, deutsch: Abteilung des Hafenmeisters) der Port Authority ein Festmacherboot der Schiffsbefestigervereinigung Eendracht (Koninklijke Roeiers Vereniging Eendracht, KRVE) alarmiert. Mit dessen Hilfe können die Ölsperren ausgebracht werden. Sind größere Längen erforderlich, rückt die DHMR mit einem ihrer Lösch- und Patrouillenboote an und schiebt einen von drei Pontons mit erweiterter Ausrüstung zum Einsatzort.
Die Richtlinie 2012/18/EU – umgangssprachlich auch Seveso-III- oder Störfall-Richtlinie genannt – verabschiedete die Europäische Union im Juli 2012. Sie dient der Verhütung schwerer Betriebsunfälle mit gefährlichen Stoffen und zur Begrenzung der Unfallfolgen. Benannt wurde die Richtlinie ursprünglich nach dem italienischen Ort Seveso, an dem sich am 10. Juli 1976 ein folgenschwerer Industrieunfall ereignete, der als Sevesounglück bekannt wurde: in der Chemiefabrik Icmesa war hochgiftiges Dioxin (Tetrachlordibenzodioxin, TCCD) in die Umwelt gelangt.
Bei der Verordnung über das Risiko schwerer Unfälle (Besluit Risico’s Zware Ongevallen, BRZO) handelt es sich um die niederländische Umsetzung der EU-Richtlinie. Mehr als 400 Unternehmen in den Niederlanden fallen unter die BRZO, weil sie mit großen Mengen gefährlicher Substanzen arbeiten. Darunter befinden sich etwa Chemiekonzerne beziehungsweise erdölverarbeitende Betriebe. Diese Unternehmen müssen spezielle Maßnahmen ergreifen, um das Risiko schwerer Unfälle – und damit großem potentiellen Schaden für Menschen und Umwelt – zu begrenzen.
Im Hafen von Rotterdam sind 106 BRZO-Unternehmen ansässig. 43 davon sind Teil der GB. Die vier größten Raffinerien haben zusätzlich noch eigene Betriebsfeuerwehren. Sie verfügen damit über ein Team bei der GB und ein Team auf dem Werkgelände. In Deutschland ist die Seveso-Richtlinie unter anderem in der Störfallverordnung und im Bundesimmissionsschutzgesetz umgesetzt.
Der Hafen Rotterdam hat eine Gesamtfläche von 127 Quadratkilometern auf einer Länge von 42 Kilometern und ist der größte Hafen Europas, vor Antwerpen (BE), Hamburg und Amsterdam. Die Hafenkomplexe Maasvlakte, Europoort, Botlek, Pernis, Eemhaven und Waalhaven untergliedern sich in zahlreiche Einzelhäfen.
An 124 Anlegestellen sowie zahlreichen Ankerplätzen machen jährlich rund 30.000 Seeschiffe und 120.000 Binnenschiffe fest. Der Güterumschlag betrug im Jahr 2018 rund 469 Millionen Tonnen, davon 178 Millionen Tonnen Rohöl und Mineralölprodukte, 149 Millionen Tonnen Ware in Containern und 77,6 Millionen Tonnen trockenes Massengut. In einigen Häfen können Schiffe mit bis zu 24 Meter Tiefgang einlaufen. Der Tiefgang der modernsten Klassen Suezmax und Malaccamax beträgt jeweils rund 20 Meter.
Durch direkte Anbindung zur Nordsee ist die Rheinmündung den Gezeiten unterworfen. Der Tidenhub beträgt 1,5 bis 1,9 Meter. Die Kapitäne von Schiffen mit großem Tiefgang müssen dies mit einberechnen und gegebenenfalls auf das Hochwasser warten, um in die Rheinmündung zu fahren. Weiterhin befinden sich im Hafen Rotterdam über 1.500 Kilometer Rohrleitungen und rund 5.600 Tanks für Rohöl, Mineralöl, chemische Produkte, Speiseöl und flüssiges Erdgas (LNG).