Die Folgen eines Eigenunfalls

Den 91. Einsatz 2013 werden die Kameraden der Feuerwehr Delitzsch (SN) wahrscheinlich nie vergessen. Auf der Fahrt zu einem Hochwassereinsatz kommt ihr Löschgruppenfahrzeug von der Straße ab und kracht in ein Wohnhaus. Alle neun LF-Insassen werden verletzt. Der Unfall beschäftigt die Kameraden bis heute.

“Manche der 324 Einsätze im vergangenen Jahr hätten sich fast zu sehr ins Gedächtnis gebrannt”, sagt Wehrleiter Dieter Franze Ende Februar 2014 auf der Jahreshauptversammlung zu seinen Kameraden. Damit meint er vor allen Dingen den Unfall vom 8. Juni 2013. Auf einer Fahrt in einen Hochwassereinsatz war ein mit neun Kameraden besetztes LF 16/12 der FF Delitzsch (59 Aktive) von der Straße abgekommen und in die Ecke eines Wohnhauses gekracht. Der Unfall hat den Wehrleiter selbst schwer getroffen – im Fahrzeug saßen seine “Jungs”, wie er sie nennt. Junge Männer, die er schon auf dem Arm hatte, als sie noch Babys waren.

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Im Landkreis Nordsachsen herrscht im Frühsommer 2013 Hochwasser. Zahlreiche Gemeinden sind schwer getroffen. Delitzsch bleibt verschont. Die Feuerwehr der 26.000-Einwohner-Stadt ist in den Nachbarkommunen im Dauereinsatz. Sandsäcke füllen, Sandsäcke schleppen, Wasser aus Häusern pumpen.

Zum Hochwassereinsatz soll es auch am 8. Juni 2013 gehen. Der Maschinist, Jahrgang 1960, ist der Älteste an Bord. Der Rest der Mannschaft ist zwischen 20 und Anfang 40. Ein geplanter Einsatz, gut vorbereitet. Am Abend zuvor hat der Zugführer die Mannschaft eingeteilt. Gegen acht Uhr morgens besetzen die neun Kameraden das Fahrzeug. Die Fahrt beginnt. Aus dem Zentrum der Kleinstadt, vorbei an den kleinen Eigenheimen am Stadtrand. Über die so genannte „Todeskreuzung“ (aufgrund zahlreicher Unfälle von der Lokalzeitung so genannt) hinauf auf die Bundesstraße. Ohne Sondersignal. Ohne Eile.

Nach draußen gucken sie nicht. Warum auch? Die Strecke kennen sie ja – sind sie schon Dutzende Male gefahren. Sie quatschen miteinander. Worüber? Dies und das, belangloses Zeug.

Dann passiert es. “Es hat plötzlich gepoltert”, erzählt Christoph Brettner. Er sitzt hinten an dem Tag. Das Fahrzeug ist von der Straße abgekommen. Auf die Bankette – für 57 Meter. Mit rund 80 Stundenkilometern. “2,6 Sekunden später”, so hat es ein Gutachter ermittelt, “kracht das HLF in ein einzeln stehendes Haus.”

Die Türen gehen nicht auf

Es regnet Splitter, Glas, Metall. Die Kameraden bekommen Staub und Dreck in den Mund. Stille. Bruchteile von Sekunden. Dann fangen sie an, sich selbst zu retten. Die sieben hinten haben Schmerzen. Aber sie können sich bewegen. Es kann so schlimm nicht sein. Wie es vorne aussieht? Schwer zu sagen in dem Moment. Der Kopf des Fahrers liegt auf dem Lenkrad. “Der Motor lief noch, da war Qualm”, erinnert sich Christian Gierth. Der heute 43-Jährige sitzt Rücken an Rücken mit dem 33 Jahre alten Gruppenführer, seinem Freund Sören Pätz. Der Gruppenführer weiß, dass er einen Notruf absetzen muss. Aber dort wo das Funkgerät sein sollte, ist jetzt ein Stück vom Haus.

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Gierth kriegt die Tür nicht gleich auf. Die Angst steigt auf. Er rammt seinen Ellenbogen gegen das Blech der Tür. Sie klettern auf die Straße. Brettner, zum Unfallzeitpunkt 25 Jahre alt, greift zum Handy.

“Mein erster Gedanke war, dass ich Dieter und Heiko informieren muss, dass die kommen. Ich wusste ja, wer noch alles auf der Wache ist”, sagt Brettner. Mit Dieter ist Wehrleiter Dieter Franze gemeint. Heiko ist Zugführer Heiko Friedrich, der am Abend zuvor die Einteilung gemacht hat. Sie gehören zu den Hauptamtlichen auf der Wache. “Ich habe nur gesagt, dass wir einen Unfall hatten mit dem Fahrzeug”, erzählt Brettner, “irgendwie war wohl durch meine Stimme klar, dass wir uns nicht nur den Spiegel abgefahren haben.”

Ein Rentner, der mit seinem Auto hinter dem HLF fuhr, setzt den ersten Notruf ab. Um 8.10 Uhr geht in Delitzsch die Sirene.

Mit Gewalt öffnen die Feuerwehrleute die verformten Jalousien der Gerätefächer. “Geistesgegenwärtig haben wir nach dem Material gegriffen”, schildert Brettner, “wir haben die klemmende Fahrertür dann mit einer Axt geöffnet.” Alles läuft automatisch. Die Männer wissen, was zu tun ist. Dass das eine Ausnahmesituation ist, merkt Brettner, als er selbst die 112 wählt. “Ich wusste zwar, wohin wir wollten und wo wir hätten sein müssen, aber ich hatte plötzlich Probleme zu sagen, wo wir sind”, erinnert sich der Gesundheits- und Krankenpfleger.

Gruppenführer schwer verletzt

Inzwischen haben die anderen Feuerwehrleute den Fahrer befreit. Er ist schwer verletzt, hat Wunden am Bein und viel Blut verloren. Er wird auf der Straße stabilisiert, seine Kameraden kümmern sich um ihn. Brettner klettert hinauf zu Pätz. “Das Ausmaß der Verletzungen war mir schnell klar”, sagt Krankenpfleger Brettner, “er war blass und kaltschweißig.” Pätz ist auf seinem Sitz eingeklemmt…

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Eigenunfall Feuerwehr und seine Folgen: eDossier.

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