Carlos Pfannl (Paraguay) – Marie-Elena Dubberke, Mitglied der Jugendfeuerwehr Miedelsbach (BW), ist im Oktober 2017 nach Paraguay ausgewandert. Mit im Gepäck: ein ausgemustertes, über 40 Jahre altes TLF und die Idee, dort eine Feuerwehr zu gründen. Wir haben sie damals interviewt und gefragt, wie sie auf die Idee gekommen ist.
FM: Maria-Elena, Ende Oktober 2017 wanderst Du mit Deiner Familie von Miedelsbach nach Paraguay aus. Wieso Paraguay?
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Maria-Elena: Mein Vater ist in den 1990er Jahren von Deutschland nach Paraguay ausgewandert. Dort lernte er meine Mutter kennen und ist einige Zeit später mit ihr zurück nach Deutschland gekommen. Meine Mutter ist übrigens selbst im Alter von 8 Jahren mit ihren Eltern aus Deutschland nach Paraguay ausgewandert.
Ich bin in Schondorf, Region Stuttgart geboren und in Miedelsbach – einem Ortsteil von Schorndorf – aufgewachsen. Aber es war immer klar, dass meine Familie irgendwann zurück nach Paraguay gehen würde.
FM: Warum möchtest Du dort eine Feuerwehr und Jugendfeuerwehr gründen?
Maria-Elena: Unser neues Zuhause befindet sich in Carlos Pfannl. Das ist eine kleine Gemeinde in der deutschsprachigen Kolonie Independencia, wo insgesamt rund 5.600 Einwohner leben. Die nächste größere Feuerwehr liegt ungefähr 40 Kilometer weit weg in Villarrica. Bei einer Alarmierung in unserer Gemeinde kann also viel Zeit vergehen, bis die Feuerwehr am Einsatzort eintrifft.
Außerdem bin ich seit 6 Jahren in der Jugendfeuerwehr Miedelsbach aktiv. Feuerwehr ist meine Leidenschaft und wenn es an meinem neuen Wohnort weder Feuerwehr noch Jugendfeuerwehr gibt, muss ich sie einfach gründen. Denn ich möchte meine Leidenschaft weiterverfolgen.
Das Feuerwehrwesen in Paraguay
Paraguay liegt im Zentrum Südamerikas. Rund 6,7 Millionen Einwohner leben dort. Die Amtssprachen sind Guaraní und Spanisch. 5 bis 7 Prozent der paraguayischen Bevölkerung sind Einwanderer deutscher Herkunft. Das Feuerwehwesen in Paraguay besteht hauptsächlich aus einer zentral organisierten freiwilligen Feuerwehr – der sogenannten Cuerpo de Bomberos Voluntarios del Paraguay (CBVP).
Gegründet wurde die CBVP im Jahr 1978. Einer der Hauptgründe für den Aufbau der CBVP war das stetige Wachstum der Hauptstadt Asunción. Freiwillige Feuerwehrleute aus Chile bildeten die ersten Feuerwehranwärter im Nachbarland aus. Im Lauf der Jahre entwickelte sich die CBVP weiter. Das Einsatzspektrum wurde vielfältiger und die Außenstellen zahlreicher. Die einzelnen Zweigstellen finanzieren sich über Spenden.
Heute engagieren sich mehr als 4.000 Ehrenamtliche im ganzen Land in der freiwilligen Feuerwehr. Die Grundausbildung findet an der Nationalen Feuerwehr Akademie statt. Sie dauert in der Regel 9 Monate. Es gibt in Paraguay eine zentrale Leitstelle, wo alle Notrufe zusammenlaufen. Die Notrufnummer lautet 132.
Gleichzeitig gibt es aber auch von der CBVP unabhängige Feuerwehren, die als Vereine gegründet wurden. Einen solchen Ansatz ist auch Maria-Elena gegangen.
FM: Die Gründung einer Feuerwehr auf der anderen Seite der Welt klingt herausfordernd. Wie bist Du dieses Projekt angegangen?
Maria-Elena: Für die Gründung einer Feuerwehr braucht man auf jeden Fall Mitglieder, Ausrüstung, ein Feuerwehrhaus und ein Feuerwehrfahrzeug. Und dafür braucht man wiederum Geld. Anfang September habe ich auf einer Fundraising-Seite damit angefangen, Spenden für das Feuerwehr-Projekt zu sammeln. Dabei haben mich Freunde, Familie und Kameraden tatkräftig unterstützt.
Besonders mein JF-Jugendgruppenleiter, Manuel Siegle, hat mir dabei geholfen, das Projekt bekannter zu machen. Er ist quasi zu meinem Social Media Manager geworden. Auch berät er mich, was den Umgang mit den Medien angeht.
FM: Wie weit ist das Projekt seit September vorangekommen?
Maria-Elena: Der erste und wichtigste Schritt ist der Kauf eines Feuerwehrfahrzeuges gewesen. Ich hatte vor einiger Zeit ein ausgemustertes Tanklöschfahrzeug auf dem Hof eines Autohändlers entdeckt. Also versuchte ich dort mein Glück. Das 43-Jahre alte TLF war bis 2004 bei der FF Beutelsbach im Einsatz gewesen. Eigentlich sollte das Fahrzeug 5.900 Euro kosten, aber ich habe den Händler auf 3.750 Euro runterhandeln können.
Am 15. Oktober ist es dann mit diesem Fahrzeug 600 Kilometer nach Antwerpen gegangen in Belgien, wo das Fahrzeug am nächsten Tag verschifft wurde. Kurz zuvor fiel noch der eigentliche Fahrer aus. Aber der Maschinist von der FF Schornbach, Jochen Rapp, ist glücklicherweise kurzfristig eingesprungen. Mein Onkel ist dann mit seinem Auto den ganzen Weg hinter uns hergefahren, damit wir auch wieder zurückkommen.
Unterwegs haben wir das Fahrzeug dann ‚El Rojo‘ genannt – der Rote. Denn Feuerwehrfahrzeuge in Paraguay sind eigentlich gelb.
FM: Wie viel Ausrüstung und Material habt Ihr schon zusammen?
Maria-Elena: Wir haben schon jede Menge Sach- und Geldspenden erhalten. Mittlerweile haben wir schon über 60 Einsatzjacken zusammen. Eine der aktuellsten Spenden ist eine Krankentrage. Die ist sehr wichtig für mich, da die Feuerwehr in Paraguay auch die Aufgaben des Rettungsdienstes übernimmt.
Auf meiner Fundraising- Seite und meiner Facebook-Seite habe ich eine Liste erstellt, welche Armaturen und Materialien noch fehlen. Da ich aber auch den Transport dieses Materials bezahlen muss, benötige ich immer noch einiges an Geld. Für einen Kubikmeter an Material muss ich 200 Euro zahlen. Die Spendenaktion läuft jedoch gut an. Bislang sind über 7.000 Euro zusammenkommen, worüber ich mich sehr freue.
FM: Eine Feuerwehr braucht Mitglieder. Hast du schon Freiwillige für Deine Wehr gefunden?
Maria-Elena: Ich kenne schon einige, die gesagt haben, sie wollen auf jeden Fall mitmachen. Denn meine Familie vor Ort hat schon fleißig Werbung für die neue Feuerwehr gemacht.
Anfang November kommt für 6 Monate ein Ausbilder von der Nationalen Feuerwehr Akademie zu uns. Der Mann übernimmt die Grundausbildung der Freiwilligen. Und dann habe ich hoffentlich ein gutes Team zusammen. Anfang 2018 soll die neugegründete Feuerwehr einsatzbereit sein.
FM: Wo kommt die neue Feuerwehr unter?
Maria-Elena: Solange wir noch kein Feuerwehrhaus haben, stellen wir Fahrzeug und Ausrüstung in der Halle meines Onkels unter. Aber ich habe schon Kontakt zu den Behörden aufgenommen. Die Chancen stehen gut, dass wir künftig ein altes Schulgebäude zu einem Feuerwehrhaus umbauen können.
FM: Gab es Momente, wo Du an Deinem Vorhaben gezweifelt hast?
Maria-Elena: Zu Beginn des Projektes hat ein Mann bei mir angerufen, der auch schon einmal eine Feuerwehr in Paraguay gründen wollte. Er erzählte mir, was bei ihm alles schief gegangen wäre und riet mir stark davon ab, weiterzumachen. Doch dank meiner Familie, meinen Freunden und Kameraden habe ich mich dadurch nicht entmutigen lassen.
Eine zweite kritische Situation war für mich die Fahrt mit dem TLF nach Antwerpen. Die wäre nämlich fast ins Wasser gefallen, weil wir Probleme mit der Zulassungsstelle hatten. Da bin ich dann auch schon mal in Tränen ausgebrochen. Wir konnten letztlich doch noch mit unserem Fahrzeug nach Antwerpen aufbrechen. Nicht zuletzt durch die Unterstützung von unserem Kreisbrandmeister René Wauro.