FF Stuttgart-Sillenbuch mit kreativer Idee

Hochglanzbroschüre gegen Feuerwehrhaus-Mängel

Stuttgart – Die Freiwillige Feuerwehr Stuttgart-Sillenbuch ist in einem Gebäude von 1974 untergebracht, das über zahlreiche Mängel verfügt und aus allen Nähten platzt. Mit ihrer Forderung zu einem neuen Feuerwehrhaus sind die Stuttgarter sicher nicht allein. Doch die Schwaben haben mit einer kreativen Aktion die Lokalpolitik überzeugen können, Planungsmittel für einen Neubau zur Verfügung zu stellen.

Die Freiwillige Feuerwehr Stuttgart-Sillenbuch hat komplett in Eigenregie eine Broschüre für die Lokalpolitik produziert. Mit dieser öffentlichkeitswirksamen Aktion konnten die Kameraden tatsächlich erreichen, dass ihnen Planungsmittel für einen Neubau zur Verfügung gestellt werden. Foto: FF Stuttgart-Sillenbuch

Bereits 2008 gab es Pläne, das Bezirksamt des Stadtbezirks Sillenbuch – in dem auch das Feuerwehrhaus untergebracht ist – zu sanieren beziehungsweise einen Neubau zu errichten. Der Gemeinderat stellte sogar Mittel für einen Architekturwettbewerb zur Verfügung, den ein Stuttgarter Architekturbüro gewann. Doch daraufhin verschwanden die Pläne in den Schubladen. Getan hat sich seitdem nichts.

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Mit dieser Hochglanzbroschüre wirbt die FF Stuttgart-Sillenbuch bei der Lokalpolitik um ein neues Feuerwehrhaus. Screenshot: Sander; Quelle: FF Stuttgart-Sillenbuch

Die Sillenbucher entschlossen, selbst zu handeln. Sie gründeten einen Arbeitskreis mit der Idee, eine Broschüre über ihre Situation zu erstellen. Die Kameraden übernahmen die Redaktion komplett selbst, inklusive Fotos, Grafiken und Layout.

Lokalpolitik ist überrascht

Nach 6 Monaten und weit über 100 Arbeitsstunden ließ die Gruppe die Broschüre drucken und an alle 480 Fraktionskandidaten im Stuttgarter Gemeinderat übergeben. Außerdem wurde das Schriftstück an alle Abteilungsleiter der betroffenen Ämter, die aus Stuttgart stammenden Mitglieder des Deutschen Bundestages sowie an alle Abteilungsleiter der Branddirektion verschickt.

“Die Reaktionen auf unser Anschreiben und die Broschüre waren bezogen auf unsere Eigeninitiative durchweg positiv. Die Empfänger waren teilweise überrascht, was den Zustand unseres Gerätehauses in einer Landeshauptstadt betraf”, lassen die Ehrenamtlichen auf Anfrage vom Feuerwehr-Magazin verlauten.

Lange Mängelliste

Wie die Wehr in dem 23-seitigen Dokument “Ihre Feuerwehr braucht Ihre Hilfe!” erklärt, sei die Lage des Feuerwehrhauses aus mehreren Sichtweisen prekär. Beispielsweise kreuzten sich an- und abrückende Fahrzeuge gleich an mehreren Stellen, es existierten nicht genügend Parktplätze und Engstellen würden zugeparkt.

 

Weiterhin fehle es an einem Innenhof, etwa für Übungen. Und der Platz in der Fahrzeughalle sei so beschränkt, dass das Einparken der Fahrzeuge zur Millimeterarbeit werde. 

Detailliert beschreiben die Verantwortlichen, welche Risikostellen es beim An- und Abrücken gibt. Screenshot: Sander; Quelle: FF Stuttgart-Sillenbuch

Die Kleiderspinde stehen zudem direkt vor den Stellplätzen und es ist keine Absauganlage für die vier Einsatzfahrzeuge vorhanden, sodass die Einsatzkräfte weder vor den Dieselabgasen geschützt würden noch an eine Schwarz-Weiß-Trennung zu denken sei. Sind die Fahrzeugtore geöffnet, kann man von außen den Kameraden beim Umziehen zuschauen.

Weiterlesen auf feuerwehrmagazin.de:

Aus Platzgründen müsse sich die Jugendfeuerwehr im Lehrsaal umziehen – Mädchen wie Jungen. Der Lehrsaal diene außerdem auch als Lager, Speisesaal, Versammlungs- und Übungsraum.

Die FF Stuttgart-Sillenbuch ist sicher nicht die einzige Feuerwehr mit einem Platzproblem. Aber sie dokumentieren ihre Situation eindrücklich und aufwändig gestaltet. Screenshot: Sander; Quelle: FF Stuttgart-Sillenbuch

Wachsende Wehr – gleiches Gebäude

Entgegen dem allgemeinen Trend steige zwar die Zahl der aktiven Mitglieder der FF. Doch die Moral werde stark durch die baulichen Umstände strapaziert. Und Spinde seien bereits jetzt nicht mehr in ausreichender Zahl vorhanden. 

“Dieser Zustand ist aus Sicht auf die Unfallverhütung und die gesundheitlichen Auswirkungen auf unsere Kameraden nicht länger hinnehmbar”, schreibt Kommandant Sebastian Zeiser in der Broschüre. “Die Verschleppung von Giftstoffen der Einsatzkleidung im Gerätehaus durch die fehlende Schwarz-Weiß-Trennung und der ständige Kontakt mit Dieselemissionen in der Fahrzeughalle machen mir persönlich die größten Sorgen, da ich als Kommandant die Verantwortung für die Gesundheit der Mitglieder trage.” 

Die Broschüre der FF Sillenbuch könnt Ihr hier einsehen.

Politik lenkt ein

Und nach der Publikation tat sich tatsächlich etwas. “Zunächst wurde uns 2019 eine zügige Bearbeitung unseres Anliegens im frisch gewählten Gemeinderat zugesichert”, erzählen uns die Aktiven. “Und wir wurden gehört. Die Broschüre hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Es wurden fraktionsübergreifend Planungsmittel in Höhe von 1,4 Millionen Euro für das neue Bezirksamt inklusive neuem Feuerwehrhaus bereitgestellt. Daraus wird jetzt der Entwurf von 2008 gemäß aktueller Normen und Bestimmungen überarbeitet. Dass die Sache Erfolg hatte, lag sicher auch daran, dass wir zu allen möglichen Sitzungen in Uniform erschienen sind und die Lokalpresse berichtet hat. Wichtig war uns, dass wir nicht nur die Politik, sondern auch die Bürger mit ins Boot geholt haben, die sehr hinter uns stehen. Im besten Falle bekommen wir in 2 bis 3 Jahren ein neues Haus.”

Für Nachahmer raten die Sillenbucher: “Bei einem solchen Projekt gilt aus unserer Sicht und Erfahrung vor allem inhaltlich fundierte Fakten und Daten zu beachten, das Ganze übersichtlich und strukturiert zu gestalten. Vor der Veröffentlichung sollte man sich mit allen Verantwortlichen abstimmen, um Missverständnisse zu vermeiden. Eine professionelle Umsetzung der Broschüre hilft ebenso und trägt zur Seriosität bei.”

Ab wann werden Feuerwehrhäuser zum Sicherheitsrisiko? Mit welchen kleinen Maßnahmen kann gute Unfallverhütung betrieben werden? Wann und wie können die Feuerwehr-Unfallkassen eingebunden werden? Antworten auf diese Fragen findet Ihr im Sonderheft “Rund um das Feuerwehrhaus”!

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