Rotterdam (Niederlande) – In den Hallen der Rotterdamer Stadtreinigung Roteb – ehemals Dachorganisation der Feuerwehr – stehen Alte Schätze, die nicht nur Maschinistenherzen aus dem Takt bringen: drei Ahrens-Fox. Und die haben eine bewegte Geschichte.
Als Feuerwehr-Veteran Piet Maat den Anlasser betätigt, keucht die Model N-S-2 1.000 GPM Fire Engine vom US-amerikanischen Feuerwehrfahrzeughersteller Ahrens-Fox zweimal kurz hintereinander. Dann springt das Ungetüm an. Augenblicklich stampfen die Kolben in sechs Zylindern in Reihe mit 16,4 Litern Hubraum los.
2 Reportagen in einem Download:
1. Die Feuerwehr Rotterdam (Sicherheitsregion Rotterdam-Rijnmond),
2. die Werkfeuerwehr des Rotterdamer Hafens Gezamenlijke Brandweer
Sie erzeugen Schallwellen, die nicht nur die gesamte Halle zum Vibrieren bringen, sondern bis zu den Organen vordringen. In der Brust spürt man jeden Kolbenhub. Die Abgaswolke des Benziners würde jede Absauganlage vor enorme Herausforderungen stellen.
Zwei Liter Benzin pro Kilometer
Maat fährt langsam aus der Garage und nimmt uns mit auf eine kleine Spritztour. “Wir können nicht so weit fahren”, sagt er. “Die Fox verbraucht zwei Liter pro Kilometer. Nach 30 Kilometer muss der Tank nachgefüllt werden.” Und das bei 120 PS. Wenn Maat in die Kurve geht, dreht er an dem Lenkrad wie an einem Fitnessgerät. Sieht man vom Fahrtwind ab, ist es auf den Holzbänken der Pritsche hingegen sehr komfortabel. Trotz des Kraftaufwands lächelt Maat während unserer kurzen Runde.
Als einziges europäisches Land kauften die Niederlande in den 1920ern Feuerwehrfahrzeuge von Ahrens-Fox aus Cincinatti (USA). Von den sieben Bestellungen gingen fünf Fahrzeuge nach Rotterdam. Geliefert wurden die Fahrzeuge in Einzelteilen in Kisten und ohne Dach. Bei mehreren der Fahrzeuge schweißte die Feuerwehr Dächer selbst und baute sie auf die Chassis.
Fast unkaputtbar
“Wir haben nicht nur das Dach draufgesetzt”, erzählt Maats Kollege Rinus Oosthoek, ehemaliger Feuerwehrmann bei der Feuerwehr Rotterdam-Rijnmond. “Als die Fahrzeuge bei uns ankamen, waren sie in den Kisten komplett demontiert. Unsere Mechaniker bauten sie wieder zusammen. Alle Fahrzeugmechaniker mussten künftig mindestens einmal die Fahrzeuge in alle Einzelteile zerlegen und neu zusammenschrauben. Denn ansonsten gab es niemanden in Europa, der uns bei Reparaturen hätte helfen können. Wir hatten und haben immer noch eine gewisse Menge Ersatzteile. Vieles haben wir aber im Laufe der Zeit selbst gefertigt. Eine Kurbelwelle zum Beispiel.”
Eine Ahrens-Fox wurde am 10. Mai 1940 beim Luftangriff auf den Flughafen Waalhaven zerstört. Die 7,5-Tonner leisteten den Feuerwehrleuten als Autospuits (AS, deutsch: Autospritze, Löschfahrzeug ohne Tank) ansonsten lange Jahre treue Dienste. “1970 haben wir das letzte Mal ein Feuer mit einem der Fahrzeuge ausgemacht”, so Oosthoek. “Sie sind fast unkaputtbar.”
1.000 Gallonen (3.875 Liter) pro Minute leistet die Kolbenpumpe bei 10 bar. Dabei glättet der verchromte kugelförmige Windkessel auf der Motorhaube die Druckstöße und sorgt für einen gleichmäßigen Wasserstrahl.
Die vermisste Nummer 5
Nach der Außerdienststellung ging eines der Fahrzeuge – die Nummer 5 – in private Hände. Da das Fahrzeug nicht wieder auftauchte, galt es irgendwann als verloren. Doch der Direktor der Sicherheitsregion Rotterdam-Rijnmond, Arjen Littooij, fand das Modell auf einer Auktion. Und schlug zu.
Nach dem Kauf fuhr er mit der Nummer 5 durch die Stadt und vorbei an einer Gaststätte, in der sich gerade eine Gruppe alter Feuerwehrkameraden aufhielt. “Die Senioren trauten ihren Augen kaum”, sagt Ruud Natrop, Pressereferent der Sicherheitsregion Rotterdam-Rijnmond. “Man erzählt sich, dass nicht wenige der Kameraden bei dem Anblick ihres alten Ahrens-Fox Tränen in den Augen hatten.”
Einmal pro Woche werden die Tore der Roteb-Halle übrigens für Besucher geöffnet. Zudem stellen die Feuerwehr-Veteranen die Fahrzeuge etwa auf den World Harbour Days aus.
Ahrens-Fox Fire Engine Company
Die Ahrens-Fox Fire Engine Company wurde 1910 von John P. Ahrens und Charles H. Fox gegründet. Bis 1977 produzierte das Unternehmen in Cincinnati (US-Bundesstaat Ohio) Feuerwehrfahrzeuge und -Ausstattung.
Nachdem es in den ersten Jahren Dampfpumpen herstellte, die von Pferden gezogen wurden, kamen einige Jahre später Kraftfahrzeuge hinzu. Diese liefen unter dem Modellnamen Ahrens-Fox. Insgesamt 1.500 Stück verkaufte die Firma, 50 davon waren auch lange Jahre beim New York City Fire Department (FDNY) im Einsatz.