Aitrang (BY) – Am 9. Februar 1971 entgleiste in Aitrang im Allgäu (BY) der Trans-Europ-Express (TEE) Bavaria. In dessen Trümmer fuhr dann wenig später ein Nahverkehrszug. 28 Menschen starben, 42 wurden verletzt. Auf den Tag 50 Jahre später erinnern wir uns an eines der schwersten deutschen Zugunglücke.
Am 9. Februar 1971 startet TEE 56 um 17.48 Uhr in München. Planmäßig soll er um 21.55 Uhr in Zürich einfahren. Um 18.44 Uhr passiert der Zu von Osten kommend den Ort Aitrang (Kreis Ostallgäu) – viel zu schnell. Direkt nach dem Bahnhof beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit nur noch 80 km/h. Es folgt eine enge Rechtskurve.
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Fast zur gleichen Zeit nähert sich aus der Gegenrichtung ein Schienenbus vom Typ VT 98. Die aus einem Trieb- und zwei Beiwagen gebildete dreiteilige Garnitur ist in Kempten gestartet.
Als der TEE mit 128 km/h (Auswertung der Fahrtenschreiber) in die Rechtskurve einfährt, entgleist bei Bahnkilometer 34,371 der gesamte Zugverband. Der führende Steuerwagen und der Speisewagen rutschen in ein parallel zu den Gleisen verlaufenden Bach. Beide stürzen um und bleiben auf der linken Seite liegen. Der folgende Personenwagen stellt sich quer, bleibt aber auf den Rädern stehen. Und auch der abschließende Motorwagen stürzt um, bohrt sich ins Schotterbett und bleibt parallel zwischen den Gleisen liegen. Durch den heftigen Aufprall schleudern einige Reisende aus dem Zug.
Als Unfallzeitpunkt ist 18.45 Uhr in den Akten notiert. In der gleichen Minute nähert sich aus der Gegenrichtung der VT 98. Um 18.46 Uhr prallt bei Bahnkilometer 34,50 der dreiteilige Schienenbus auf den Maschinenwagen des Fernzuges.
Die Unfallstelle befindet sich noch im Ort Aitrang. Die nächsten Häuser stehen nur wenige Meter entfernt. Anwohner melden per Telefon den Unfall und laufen zum Bahndamm.
Um 18.55 Uhr treffen die ersten Rettungskräfte an der Unfallstelle ein – 7 Minuten nach dem Unglück. 3 Minuten später ergehen Hilfeersuchen an alle Blaulichtorganisationen (Feuerwehr, Rotes Kreuz und THW) in der Region. Die Sanitätskräfte werden damals per Telefon im „Schneeballsystem“ alarmiert.
Einer der damals eingesetzten Feuerwehrleute ist Ewald Vogt aus Kaufbeuren. Der heute 87-Jähige kann sich noch gut an das Zugunglück erinnern: „Es war saumäßig neblig. Man hat keine 20 Meter gesehen. Unser Einsatzbefehl hat geheißen. Die ganze Unfallstelle ausleuchten. Wir haben alle verfügbaren Scheinwerfer genommen, das waren alles Scheinwerfer auf Stativ mit meterlangen Kabeln und haben so notdürftig ausgeleuchtet. Dann kam der Staatsanwalt mit Sanitätern der Bundeswehr. Die sind mit Zetteln umeinander und haben an jedem Körperteil, der da herumgelegen ist, Zettel hingemacht. Ich musste damals mit dem Scheinwerfer mit ihnen mitgehen und aus einer bestimmten Entfernung leuchten. Da hat sich mir das Bild einer blonden Frau eingeprägt. Die hat es geteilt, die Achse aus dem Zug hat sie geteilt. Der Körper ist da gelegen, und der Kopf woanders. Eine blonde, junge, hübsche Frau. Die Frau sehe ich heute noch. Das war ein Einsatz, der für mich persönlich extrem war. Das sitzt einfach drin. Keine psychologische Betreuung, da hat sich kein Mensch gekümmert. Da hat man halt im Gerätehaus eine halbe Bier getrunken. Ich habe damals drei, vier Tage weder was gegessen noch getrunken. Ich habe mehr gekotzt als alles andere.“
In der April-Ausgabe 2021 des Feuerwehr-Magazins berichten wir noch einmal detailliert über den damaligen Einsatz. Im Feuerwehrmuseum Kaufbeuren-Ostallgäu wird es übrigens demnächst auch eine große Sonderausstellung anlässlich des Zugunglücks geben. Weitere Infos gibt es hier: www.fwm-kf-oal.de.