Ein KOMMENTAR von Jan-Erik Hegemann, Chefredakteur Feuerwehr-Magazin
Essen (NW) – Man muss nicht alles verstehen, was in diesem Land inzwischen so abgeht. Manchmal schüttelt man den Kopf. Manchmal tippt man sich an die Stirn. Und manchmal möchte man den Beteiligten zurufen: Sag mal, habt Ihr noch alle Tassen im Schrank?
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Gestern war es bei mir mal wieder so weit. In Essen fand ein Gerichtsverfahren gegen einen Feuerwehrmann statt, der einen Brand gemeldet hatte. Ich weiß, dass klingt wie ein Scherz. Ist es aber nicht. Ein 21-jähriger Feuerwehrbeamter hatte am 29. Juni Rauch über dem Gelände eines Essener Industriebetriebs aufsteigen sehen und sofort einen Notruf abgesetzt. Wörtlich sagte er dem Disponenten “anscheinend brennt da wieder die Filteranlage”. Außerdem nannte er seinen Namen. Sieben Einsatzfahrzeuge schickte die Leitstelle los. In dem Betrieb hatte es in der Vergangenheit nämlich wirklich einige Brände gegeben. Doch vor Ort stellten die Feuerwehrleute fest: Fehlalarm. Kein Feuer.
Soweit eigentlich ganz gut. Doch dann nahm das Unheil seinen Lauf. Ein leitender Mitarbeiter des Betriebes fragte, wer denn die Feuerwehr überhaupt alarmiert habe. “Ein Kollege”, sagte ein Feuerwehrmann wahrheitsgemäß. Und nach einem Bericht der WAZ nannte er dann auch den Namen. Das Unternehmen vermutete dahinter einen Scherzanruf unter falschem Namen und erstattete Anzeige gegen Unbekannt.
Es kommt tatsächlich zur Gerichtsverhandlung
Und so kam das Verfahren in Gang, dass sich auch durch einen Brief des Verwaltungschefs der Feuerwehr Essen nicht mehr stoppen ließ. Die Essener Feuerwehrspitze betont: “Der junge Kollege hat alles richtig gemacht!” Die zuständige Oberamtsanwältin der Staatsanwaltschaft fertigte trotzdem eine Anklageschrift. Der Vorwurf: Missbrauch des Notrufes. Eine Amtsrichterin ließ die Anklage zu. Und spätestens hier hört mein Verständnis komplett auf. Wo war der gesunde Menschenverstand? Wo das Fingerspitzengefühl? Sagt mal, geht’s noch? Mit einem oder zwei Telefonaten hätte sich alles aufklären lassen.
So kam es am Mittwoch (17. Oktober 2018) zur Gerichtsverhandlung am Amtsgericht Essen. Reine Mutmaßung meinerseits: Die haben da ansonsten wohl Langeweile. Zeugen wurden gehört, konnten aber letztlich nichts zur Klärung des Sachverhaltes beitragen. Immerhin bestätigten Firmenvertreter, dass es schon in gewisser Regelmäßigkeit auf dem Betriebsgelände brenne. Die Feuerwehr spricht von bis zu acht Einsätzen pro Jahr.
Verfahren endet mit Freispruch
Die Richterin sah anscheinend als erste ein, dass die Beweislage sehr, sehr dünn ist. Sie signalisierte, dass sie zu einem Freispruch tendiert. Letztlich stimmte dann auch die Oberamtsanwältin der Lösung zu. Prozeßbeobachtern zufolge soll sie gesagt haben, der Angeklagte habe wohl tatsächlich etwas gesehen und falsch gedeutet. Und so endete das komplett überflüssige Verfahren mit einem Freispruch des Feuerwehrmanns. Wenigstens etwas!