Unfälle in ehemaliger Apotheke und in Hauskeller

Mehrstündige Gefahrguteinsätze: Zyankali und Chlorbleichlauge ausgetreten

Hage (NI)/Bergisch Gladbach (NW) – Zwei Gefahrgutunfälle haben am Montag für mehrstündige und personalintensive Einsätze der Feuerwehr gesorgt. In einer ehemaligen Apotheke in Hage (Kreis Aurich) sahen sich die Kräfte pulverförmigem Zyankali (Kaliumcyanid) gegenüber, in einem Wohngebäude in Bergisch Gladbach (Rheinisch-Bergischer Kreis) trafen Feuerwehrleute auf ausgetretene Chlorbleichlauge (Natriumhypochloritlösung).

In Hage (NI, Kreis Aurich) musste die Feuerwehr zu einem Gefahrgutunfall in einer ehemaligen Apotheke ausrücken. Dort war Zyankali ausgetreten.

In Hage hat sich am Vormittag ein früherer Apotheker telefonisch beim Ortsbrandmeister Björn Bittner gemeldet, wie die Feuerwehr in einer Pressemitteilung schreibt. Ihm sei im Obergeschoss eines Gebäudes beim Aufräumen eine Flasche auf den Holzboden heruntergefallen und zu Bruch gegangen. „Der Apotheker gab an, dass es sich bei dem Inhalt um Zyankali handeln müsse“, berichtet der stellvertretende Norder Stadtbrandmeister Thomas Weege dem Feuerwehr-Magazin.

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Daraufhin erfolgte eine Alarmierung der FF Norden mit ihrer Gefahrguteinheit. In Chemikalienschutzanzügen (CSA) gingen Einsatzkräfte zur Erkundung in das Gebäude vor. Diese führten eine Digitalkamera mit, um die Unfallstelle zu fotografieren. „Wir haben die Bilder dann einem Fachberater des Landesfeuerwehrverbands Brandenburg geschickt, den ich persönlich kenne“, erzählt Weege. „Dieser konnte uns dann Tipps geben, welche Maßnahmen wir ergreifen müssen und wie wir uns an der Einsatzstelle zu verhalten haben.“

Das Zyankali wurde für die Herstellung von Medikamenten benötigt. Schon in geringen Mengen ist es hochgiftig. Es besteht unter anderem Lebensgefahr bei Verschlucken, Hautkontakt oder Einatmen. Außerdem schädigt es die Organe bei längerer oder wiederholter Exposition und entwickelt bei Berührung mit Säure sehr giftige Gase.

Mit Wasserstoffperoxid unschädlich gemacht

Aufgrund der ersten Erkundungsergebnisse alarmierte die Leitstelle den bei der Ortsfeuerwehr Aurich-Sandhorst stationierten Gefahrgutzug des Kreises. Zusätzlich kam die gesamte Ortsfeuerwehr Hage für Absperrmaßnahmen und Reinigungsarbeiten zum Einsatz.

Die Feuerwehrleute unter der Einsatzleitung von Bittner mussten zunächst Teile des Inventars aus dem Obergeschoss ins Freie bringen, dekontaminiert und für die Entsorgung verpacken. Anschließend nahmen sie das giftige Pulver mit einem speziellen Staubsauger auf. „Dieser besitzt einen Filter, der beispielsweise auch Asbestfasern auffängt“, erklärt der stellvertretende Norder Stadtbrandmeister.

Danach besprühten die Einsatzkräfte das restliche Pulver auf dem Fußboden mit 30-prozentigem Wasserstoffperoxid, damit es sich durch eine chemische Reaktion in ein harmloses Pulver umwandelt (oxidativ zerstört). „Die Flüssigkeit haben wir aus einer benachbarten Schule und aus einer anderen Apotheke erhalten“, sagt Weege. Zum Schluss wischten die Feuerwehrleute die Räumlichkeiten gründlich mit Wasser durch.

Ein Feuerwehrmann zog sich bei Aufräumarbeiten durch das Wasserstoffperoxid leichte Verletzungen an den Handinnenflächen zu. Der Rettungsdienst transportierte ihn ein Krankenhaus, das er mittlerweile wieder verlassen konnte.

Der rund zehnstündige Einsatz endete erst gegen 19.30 Uhr. Das DRK übernahm währenddessen die sanitätsdienstliche Absicherung sowie die Verpflegung der rund 60 Kräfte.

„Dieser Einsatz zeigt, dass es jede Feuerwehr treffen kann, zu einem hochriskanten Gefahrgutunfall ausrücken zu müssen – auch wenn es keine Chemieunternehmen vor Ort gibt“, resümiert Weege.

Wartungsarbeiten an Pool-Filteranlage

In Bergisch Gladbach hat ein Mann im Keller seines Hauses bei Wartungsarbeiten an der Filteranlage eines Pools rund 200 Milliliter Chlorbleichlauge verschüttet. Auch er wählte nicht den Notruf, sondern setzte sich nach Angaben der Feuerwehr zunächst mit deren Telefonzentrale in Verbindung.

Wie die Feuerwehr mitteilt, fragte der Hausbewohner gegen 14.45 Uhr nach, wie er die verschüttete Chlorbleichlauge beseitigen könne. Dem Einsatzführungsdienst (B-Dienst) erzählte der Senior, dass er bereits ein Kratzen im Hals verspüre.

Mit verschütteter Chlorbleichlauge sahen sich Einsatzkräfte der Feuerwehr Bergisch Gladbach im Keller eines Wohnhauses konfrontiert.

Natriumhypochlorit verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden. Außerdem dürfen Dämpfe nicht eingeatmet werden, da sie die Schleimhäute angreifen.

Daraufhin erhielt der Anrufer die Anweisung, aufgrund der drohenden Gefahr durch das Chlor umgehend die Kellertür zu schließen, die Haustür zu öffnen und sich ins Freie zu begeben. Der Einsatzführungsdienst informierte die Leitstelle des Rheinisch-Bergischen Kreises über die Lage und rückte mit Kräften der Feuerwache 1 sowie einer Rettungswagen-Besatzung aus.

Beißender Chlorgeruch im ganzen Gebäude

Vor Ort trafen die Feuerwehrleute den Hausbewohner mit deutlichen Vergiftungserscheinungen vor seinem Haus an. Das Rettungsdienst-Personal versorgte den Mann umgehend. Außerdem alarmierte die Leitstelle ein Notarzt-Einsatzfahrzeug sowie und einen weiteren RTW zur Eigensicherung. Mit schweren Verletzungen musste der Bewohner in ein Krankenhaus transportiert werden.

Die weitere Erkundung durch den Einsatzleiter ergab, dass sich der beißende Chlorgeruch bereits im gesamten Gebäude ausgebreitet hatte. Um die ausgelaufene Lauge aufnehmen zu können, setzte der Leitstellendisponent den Löschzug 7 (Stadtmitte) zur Personalergänzung in Marsch.

Zusammen mit den Kräften der Feuerwache 1 ging ein Trupp unter Atemschutz und Chemikalienschutzanzügen (CSA) in den Keller vor, um ein Bindemittel aufzubringen. Im Anschluss belüftete die Feuerwehr das Gebäude und nahm das Bindemittel wieder auf. Die Entsorgung übernahm ein Spezialunternehmen.

Erst gegen 17.45 Uhr konnte die Feuerwehr den Einsatz beenden. Vor Ort waren 27 Einsatzkräfte mit zehn Fahrzeugen.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. …oder analog des ersten Einsatzes vielleicht telefonisch fachkundige Unterstützung durch einen Fachberater in Anspruch nehmen.

    Aber es ist immerhin niemandem etwas passiert.

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  2. Ganz schön viel Aufwand für ein bisschen Chlorbleichlauge…
    Hier sollte sich der Einsatzleiter mal dringend mit dem Thema Gefahrgut befassen!

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