Halberstadt (ST) – Als 1989 Bürger der DDR in Plauen (SN, Vogtlandkreis) auf die Straße gingen, um politische Veränderungen zu fordern, wurde die Feuerwehr gegen die Demonstranten eingesetzt. Auch in Halberstadt (Kreis Harz) gab es entsprechende Überlegungen. In der Kreisstadt im Harzvorland kam es allerdings lediglich zum Einsatz von Tapeten und Heftpflastern. Ein Rückblick.
Vor einem großen Einschnitt stand die Feuerwehr Halberstadt 1945. In den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs war die Stadt Ziel alliierter Luftangriffe. Diese zerstörten unter anderem die Feuerwache vollständig. Während der sowjetischen Besatzung wurde die Feuerwehr aus dem Stadtverband Halberstadt ausgegliedert und durch die Landesregierung übernommen. Fortan unterstand die Berufsfeuerwehr der Volkspolizei und die Einsatzkräfte erhielten einen militärischen Dienstgrad. Kurz vor der Wende stand das Kommando Feuerwehr vor dem Aus. Zum 31. Dezember 1989 sollte die Abteilung aufgelöst werden. Grund: die schlechte wirtschaftliche Lage. Sämtliche Aufgaben der BF sollten freiwillige Kräfte übernehmen.
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Doch die Wende verhinderte dieses Vorhaben. Und plötzlich gab es ganz andere Überlegungen. Mit aller Macht versuchte das DDR-Regime den Protesten der Bürger entgegenzutreten, die politische Veränderungen forderten. Tanklöschfahrzeuge der Feuerwehr sollten als Wasserwerfer gegen Demonstranten zum Einsatz kommen. Die Polizeiführung war sich der Tragweite dieser Entscheidung bewusst und versuchte zu vertuschen, dass es sich um Feuerwehrfahrzeuge handelte. Es erging der Befehl, den Schriftzug „Feuerwehr“ zu überkleben. Weil entsprechende Materialien knapp waren, kamen Tapeten und Heftpflaster zum Einsatz.
Letztlich setzten die Verantwortlichen das Vorhaben in Halberstadt nicht um. In Plauen kam es dagegen zu dramatischen Szenen, als Demonstranten wutentbrannt auf Feuerwehrfahrzeuge losstürmten und diese mit Pflastersteinen sowie Flaschen bewarfen. Immer mehr Einsatzkräfte solidarisierten sich jedoch in den Tagen des Umsturzes im Oktober 1989 mit den protestierenden Bürgern und weigerten sich, gegen Demonstranten vorzugehen. So distanzierte sich etwa die Freiwillige Feuerwehr Plauen von dem Vorgehen der Berufsfeuerwehr. Kurz darauf war die DDR Geschichte. Im folgenden Jahr kam es dann auch bei der Feuerwehr Halberstadt zu einem Wandel: Das Ministerium des Innern schaffte die militärischen Dienstgrade ab und 23 hauptberufliche Einsatzkräfte wurden der Stadt unterstellt.
Text: Sebastian Runnebaum
In Ausgabe 9/2020 könnt Ihr die gesamte Reportage über die Feuerwehr Halberstadt lesen.