Von Drehleiter bis Flughafenlöschfahrzeug

10x Interschutz: Die coolsten Fahrzeug-Neuvorstellungen

Im Vordergrund des Interesses der Besucher einer Interschutz stehen naturgemäß die ausgestellten neuen Fahrzeuge. Auf der ersten überregionalen Feuerwehrausstellung 1901 in Berlin unter dem sperrigen Namen “Internationale Ausstellung für Feuerschutz und Feuerrettungswesen” war der Star der Ausstellung der erste automobile Drei-Fahrzeug-Löschzug der Welt, den Branddirektor Maximilian Reichel bei der BF Hannover in Dienst gestellt hatte. Dann trat eine längere Pause ein. Die Ausstellung “Der Rote Hahn – Deutsche Volksschau für Feuerschutz und Rettungswese” im Jahr 1935 in Dresden setzte neue Maßstäbe. Hier sorgten die fortschrittlichen “Dresdner Löschzüge” von Branddirektor August Ortloph für großes Aufsehen.

Von Branddirektor a.D. Dipl.-Ing. Manfred Gihl, Hamburg

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Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden bisher zehn Feuerwehrausstellungen unter dem Namen “Roter Hahn” beziehungsweise später Interschutz veranstaltet: 1953 in Essen, 1961 in Köln, 1972 in Frankfurt-Main, 1980, 1988 und 1994 in Hannover, 2000 in Augsburg, 2005 in Hannover, 2010 in Leipzig und 2015 wiederum in Hannover. Mit Ausnahme der Essener Ausstellung – da war ich noch Gymnasiast – habe ich alle Ausstellungen besucht. Mithilfe meiner jeweils gefertigten Aufzeichnungen möchte ich versuchen, die Fortschritte und Highlights der früheren Ausstellungen in Erinnerung zu rufen.

Interschutz 1961 in Köln, Blick auf den Magirus-Stand. Vorne links ist der Rüstkranwagen RKW 16 der BF Wiesbaden zu sehen. Auch interessant das Fahrzeug rechts davon: Ein Vorläufer der Gelenkmastbühnen mit zweigeteiltem Mast sowie Arbeitskorb, Arbeitshöhe 18 Meter, Fabrikat Reinarz. Foto: Archiv Haase

Fand die “Bundesausstellung für Feuerschutz und Rettungswesen“”1953 in Essen noch in vergleichsweise kleinem Rahmen statt, bot die “Internationale Ausstellung für Brand- Strahlen- und Katastrophenschutz” (und erstmals unter dem Beinamen Interschutz) 1961 in Köln wesentlich mehr Hallenplatz und Freigelände. Unter den Großfahrzeugen stachen die Magirus-Rundhauber und die Mercedes-Pullman-Frontlenker besonders hervor. Die ersten Trocken-Tanklöschfahrzeuge (TroTLF) 16, eine Entwicklung der BF München und von Magirus, waren ebenso ausgestellt wie Trockenlöschfahrzeuge (TroLF) mit Pulverlöschanlagen. Bei den Drehleitern von Magirus und Metz wurde deutlich, dass sich die Leiterparks ohne Fallhaken endgültig durchgesetzt hatten. Sogar eine kleine Gelenkmastbühne mit 18 Meter Höhe, bescheiden “zweigliedrige Arbeitsplattform” genannt, wurde von Magirus angeboten. Viel Beachtung fand der vollhydraulische Rüstkranwagen (RKW) 16, den Magirus auf seinem dreiachsigen Eckhauber-Fahrgestell Uranus A entwickelt hatte. Der erste ging in diesem Jahr zur BF Wiesbaden.

Auf dem Metz-Stand ist unter anderem eine Drehleiter auf Mercedes-Pullman-Fahrgestell (vorne links) zu sehen. Foto: Archiv Haase

Natürlich zeigen die Aufbauhersteller stets all ihre nach Norm gebauten Löschfahrzeuge. Aber als Hingucker stellen sie gerne ihre Sonderfahrzeuge in den Fokus. Das wurde bei der Interschutz 1972 in Frankfurt besonders deutlich. Da gab es das Tanklöschfahrzeug (TLF) 8000 von Metz für die BF Duisburg und das Löschgruppenfahrzeug (LF) 32 von Bachert für die BF Stuttgart. Der stets innovationsfreudige Frankfurter Branddirektor Ernst Achilles stellte gleich zwei Großtanklöschfahrzeuge vor: ein GTLF 24 von Ziegler als Sattelschlepper und ein GTLF 18, das von Magirus in Anlehnung an die Flugplatzlöschfahrzeuge auf Faun 8×8, jedoch mit Fahrerhäusern vorn und hinten gebaut worden war. Außerdem zeigte die BF Frankfurt ihre dritte Gelenkmastbühne, eine Nummela 25-3.

Die BF Mannheim stellte ihre Metz-Drehleiter (DL) 30 auf einem zweiachsigen Kranwagen-Fahrgestell von Faun mit Waagrecht-Senkrecht-Abstützungen und fest angebrachtem 400-Kilogramm-Korb vor. Die genormten DL 30 von Magirus und Metz waren im Detail verbessert und zeigten erste Ansätze von computergesteuerten Sicherheitseinrichtungen. Viele Fahrzeuge glänzten erstmals in der neuartigen Farbe Leuchtrot (RAL 3024). Die Wechselladertechnik steckte noch in den Kinderschuhen, nur die BF Hannover war damit vertreten. Jedenfalls bot die Frankfurter Messe soviel Sonderkonstruktionen und Neuentwicklungen wie nie zuvor.

Die Interschutz 1980 fand zum ersten Mal in Hannover statt. Gegenüber Frankfurt verdoppelte sich die Ausstellungsfläche, vor allem das größere Freigelände wurde von den Ausstellern begrüßt. 350 Ausstellungsfahrzeuge waren ein neuer Rekord.

In Hannover war Premiere für die Drehleitern mit reduzierter Bauhöhe sowohl von Magirus als auch von Metz. Magirus zeigte seine Drehleiter mit Rettungskorb (DLK) 30-12 n.B. (niedrige Bauart) auf eigenem Spezialfahrgestell und erstmals mit Vario-Abstützung, die bereits ein Jahr lang von der BF München erprobt worden war. Metz präsentierte seine DLK 23-12 SE (Soforteinstieg) auf Serienfahrgestell von Mercedes-Benz in der Ausführung “Stuttgart” und “Hamburg”.

Schnellangriffsfahrzeug für Flughäfen RIV 1100 Cheetah von Rosenbauer auf der Interschutz 1980. Foto: Archiv Haase

Beiden Herstellern war damit eine deutliche Absenkung der Fahrzeughöhe unter 3.300 Millimetern gelungen, wenn auch der nach hinten abgelegte fünfteilige Leiterpark bei der Metz-DL etwas gewöhnungsbedürftig war. Aus der Sicht der Feuerwehren waren die beiden neuen Leitertypen sicherlich die wichtigsten Neuerungen dieser Messe. Dazu die Riffaud-DL, mit der Ziegler einen Marktanteil in Deutschland erringen wollte. Dass sich die Wechselladertechnik inzwischen auf breiter Front durchgesetzt hatte, sah man an vielen Beispielen, wobei die BF Duisburg – wieder einmal – etwas Besonderes bot: ein Wechselladerfahrzeug (WLF) auf MAN-Dreiachsfahrgestell der neuen Bundeswehr-Generation. Und noch nie gab es so viele Flugplatzlöschfahrzeuge zu bestaunen, darunter den neuen Simba von Rosenbauer.

Die Interschutz 1988 fand wiederum in Hannover statt. Sie wartete mit neuen Rekorden auf: die Zahl der in- und ausländischen Aussteller hatte sich glatt verdoppelt und noch nie gab es so viele Hubrettungsfahrzeuge zu bestaunen. Magirus, Metz, Riffaud, Camiva/Ziegler und Ehrsam stellten ihre Drehleitern vor. Fast alle besaßen variable Stützbreiten und fest angebrachte Stülp- beziehungsweise Klappkörbe. Die Firma Magirus, die allein schon mit acht Drehleitern vertreten war, führte die DLK 23-12 CC (Computer Controlled) ein. Auch die Hersteller von Gelenkmastbühnen waren stark vertreten: Bronto Skylift, Cella, Ruthmann, Simon und Wumag. Rekordhalter war der Bronto Skylift 66 2T2 mit einer Korbbodenhöhe von 60 Metern. Und auch die Zahl der Flugplatzlöschfahrzeuge (FLF) war noch nie so groß gewesen: Metz mit dem Firehunter, Rosenbauer mit dem Panther 8×8 und Ziegler mit dem Advancer Z1 sowie Saval-Kronenburg, Sides und Simon waren vertreten. Neben all diesen ins Auge fallenden Großfahrzeugen dürfen aber die Normfahrzeuge mit ihren erheblichen Detailverbesserungen nicht übersehen werden.

Auch die Interschutz 1994 fand in Hannover statt. Sie brachte neue Rekorde, sowohl was die Anzahl der Aussteller als auch der Besucher (150.000) betraf. Sie war endgültig zur Weltleitmesse geworden. Unter den ausländischen Ausstellern war Emergency One aus Florida/USA mit einem Dutzend Engines am stärksten vertreten. Die Gelenk-Drehleiter DLK Vario CC-GL von Magirus feierte hier ihre Premiere, Metz zeigte seine Drehleitern mit PLC-Technologie und FGL aus Luckenwalde die DLK 23-12 CIR. Bronto Skylift stellte – wieder einmal – den höchsten Gelenkmast der Welt vor: diesmal mit 68 Metern. Viel Diskussionsstoff bot das Hamburger HLF 16/12 in gelber Lackierung. Auch an Flugplatzlöschfahrzeugen war kein Mangel: Rosenbauer, Saval-Kronenburg und Ziegler stellten ihre FLF vor.

Auf der Interschutz 1994 stellte Magirus erstmals seine Drehleiter mit Gelenkteil vor. Marketingmitarbeiter Alfred Bidlingmaier ließ es sich nicht nehmen, die (weibliche) Standbesetzung des Feuerwehr-Magazins für das Magirus-Gruppenbild mit in den Korb zu nehmen. Foto: Magirus

Augsburg war der Austragungsort für die Interschutz 2000. Besonderer Anziehungspunkt war das völlig neu konzipierte Hubarbeits- und Universal-Löschfahrzeug (HULF) namens “Octopus” von Magirus. Dieses Akronym stand für “Optimized chassis technology with optional pump pipework in unbending sceletons”, auf Deutsch: “Optimierte Fahrgestell-Technologie mit optionalem Löschmittelleitungssystem in verwindungssteifen Rohrtragwerken.” Es handelte sich um die Kombination von Löschfahrzeug und vierteiliger 30-Meter-Hubarbeitsbühne und war auf einem 4×4-Fahrgestell mit Allradantrieb und Allradlenkung aufgebaut. An Drehleitern war wiederum kein Mangel: Magirus und Metz zeigten jeweils ihr volles Programm. Wieder einmal wurde deutlich, welch enormes Entwicklungspotential in der altbekannten Drehleiter noch steckt. Der Gelenkmast und der Teleskopmast stellen – zumindest in Deutschland – keine ernsthafte Konkurrenz dar. Doch der Weltmarktführer Bronto Skylift zeigte dennoch sein großes Programm und war gleich mit 14 Bühnen vertreten, mit Rettungshöhen von 23 Metern bis 53 Metern. Bemerkenswert: Scania trat zum zweiten Mal mit eigenem Stand auf und zeigte die Anwendung seiner Chassis als LF, DL und WLF.

Völlig neu konzipierte Magirus dieses Hubarbeits- und Universal-Löschfahrzeug (HULF) namens “Octopus”. Allradantrieb und Allradlenkung, Heckmotor und Gelenkmast zeichneten dieses Fahrzeug aus. Foto: Magirus

Die nächste Interschutz kehrte 2005 wieder nach Hannover zurück. Resümee nach dem Messerundgang: Die Innovationskraft der deutschen Feuerwehrgerätehersteller ist ungebrochen. Das zeigte sich nicht nur an den Hubrettungsfahrzeugen. Unmöglich, alle praktischen Verbesserungen allein an den Normfahrzeugen aufzuzählen. Bronto Skylift übertraf mit seiner Teleskopmastbühne TMB F 90 HLA seinen eigenen bisherigen Höhenrekord! Als einzelne Berufsfeuerwehr war Hamburg mit sechs Fahrzeugen stark vertreten, so mit einem Bronto Skylift F 53 RL und einem ELW 3, der schon durch seine unübliche farbige Beklebung auffiel.

Die Interschutz 2010 fand erstmals in einem der neuen Bundesländer, in der Messestadt Leipzig, statt. Sie nannte sich “Internationale Leitmesse für Rettung, Brand-/Katastrophenschutz und Sicherheit” und war wahrlich international, denn Aussteller aus Frankreich, Polen, Tschechien, sogar aus Japan und Indonesien waren dabei. Viele Neuentwicklungen feierten Premiere und Detailverbesserungen gab es in allen Fahrzeugsparten. Bemerkenswerte Drehleiter-Konstruktionen boten Magirus mit einer DL 60 und Metz mit einer DL 53. Und nun überschritt Bronto Skylift mit seinem Teleskopmast F 112 HLA die magische 100-Meter-Marke gleich um 12 Meter! 

Flughafenlöschfahrzeuge sind seit jeher ein Anziehungspunkt für die fahrzeugbegeisterten Messebesucher. Highlight 2015 war die Enthüllung des neuen Panther 6×6. Das Fahrzeug versieht heute bei der Flughafenfeuerwehr Düsseldorf seinen Dienst. Foto: Preuschoff

Mit der Interschutz 2015 war zum fünften Mal Hannover wieder Austragungsort dieser internationalen Leitmesse. Resümee: neuer Besucherrekord, mehr Fachpublikum. Ein Kommentator schrieb, dass die Interschutz “keine Verkaufsmesse im wirklichen Sinne, sondern Feuerwehrkult” gewesen sei. Da war schon etwas Wahres dran! Auch diese Messe bot zahlreiche Novitäten, sowohl bei den Fahrgestellen als auch bei den Aufbauten, da fällt es schwer, besondere Highlights aufzuzählen. Bei den Gelenkmasten ging es diesmal nicht um neue Rekordhöhen – Bronto Skylift begnügte sich mit einem Teleskopmast von 104 Metern. Dafür trumpften die Hersteller von Drehleitern auf: 64 Meter waren es bei Metz – seither umfirmiert in Rosenbauer Karlsruhe – und sogar 68 Meter warf Magirus mit der M68L in den Ring. Neuer Weltrekord!

In unserer aktuellen Umfrage möchten wir wissen: Welches ist deiner Meinungs nach die größte Fahrzeug-Innovation, die auf einer Interschutz vorgestellt wurde?

Wir haben auf unserem Youtube-Kanal auch von der Enthüllung des Panther 6×6 berichtet:

Zur Person: Manfred Gihl, Jahrgang 1935, studierte zwischen 1958 und 1962 Maschinenbau an der TH Aachen. 1963 fing der junge Diplom-Ingenieur bei der BF Hamburg an. 1971 wurde er zum Oberbrandrat ernannt, 10 Jahre später zum Branddirektor. Überregional wurde Manfred Gihl durch das “Handbuch der Feuerwehr-Fahrzeugtechnik” im Jahr 1982 bekannt. Zahlreiche Publikationen folgten. 2 Jahre vor dem Eintritt in den Ruhestand gründete er 1993 den Verein Hamburger Feuerwehr Historiker. Gihl lebt bis heute in der Hansestadt Hamburg.

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