Hannover – Auch 1988 richtete die Deutsche Messe AG in Hannover die Interschutz aus. Es war eine ungewöhnliche Messe. Sie begann bereits am 28. Mai, früher startete sie nie zuvor und nie danach. Zum zweiten Mal hintereinander war Hannover der Austragungsort, auch das hatte es bis dahin noch nicht gegeben. Fast 20 Prozent der Besucher kamen aus dem Ausland. Fast wie eine Auslandsreise fühlte sich die Fahrt in den Norden auch für Alfred Bidlingmaier an. “Hannover war schon weit weg”, erinnert sich der damalige Vertriebsmitarbeiter von Iveco Magirus an seine erste Interschutz.
Ich hatte am 1. April 1988 gerade neu bei Magirus in Ulm angefangen. Vorher war ich 4 Jahre bei einem Magirus-Händler angestellt gewesen. Damit war die Interschutz meine große Plattform und meine Chance, mich den Feuerwehren als Magirus-Mitarbeiter für Württemberg vorzustellen. Und entsprechend aufgeregt fuhr ich auf DIE Messe nach Hannover.
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Die Neuheit war damals die Einführung der Aluminium-Aufbauten bei Magirus. Diese Baukastenbauweise war 1988 revolutionär in der Branche und hat für viele Diskussionen gesorgt. Alle anderen Hersteller setzten zu der Zeit noch auf Stahl. Und wir zeigten im Prinzip schon die gesamte Produktpalette in der AluFire genannten Aufbauform. Ich weiß noch, dass damals ein regelrechter Glaubenskrieg um das Material entbrannte. Stahl galt als solide und bewährt. “Warum soll daran gerüttelt werden?”, fragten damals viele Besucher und Kunden. Unsere Antwort: “Weil Aluminium genauso haltbar ist, aber deutlich weniger wiegt”, lautete unsere Antwort.
Durch das flexible Baukastenprinzip AluFire wurde der Aufbau auch flexibler und konnte leichter im Innenausbau verändert werden. Das war gerade in der Zeit, Ende der 1980er Jahre mit den Diskussionen um die Typenreduzierung, ein großes Thema. Und in der Zeit wurden auch einige neue Geräte eingeführt, beispielsweise Drucklüfter oder Wassersauger. Da war der Wunsch nach mehr Flexibilität in den Aufbauten entstanden. Mit einer gewissen Genugtuung habe ich dann in den Folgejahren registriert, wie auch alle anderen Hersteller auf Aluminium-Aufbauten umgestiegen sind.
Man muss aber auch sagen, dass 1988 ein gewisses Schwarz-Weiß-Denken vorherrschte. Man könnte es fast Glaubenskriege nennen. Alu oder Stahl war nur ein strittiger Bereich. Motoren mit Luftkühlung oder Wasserkühlung, welche Entlüftungseinrichtung an Pumpen oder ob tiefgezogene Aufbauten zwischen den Achsen eine sinnvolle Lösung sind oder an der Stelle nicht Saugschläuche mitgeführt werden sollten, diese Fragen konnten stundenlange Grundsatzdiskussionen auslösen. Mit einigen Jahren Abstand kann man über manche Dinge nur noch Schmunzeln.
Wie die Basisfahrzeuge die Feuerwehr veränderten
Auf der Interschutz 1988 waren die Basisfahrzeuge vielleicht das heißeste Thema. Basis 1 war ein Kastenwagen der 3,5 Tonnen Klasse, ähnlich einem Tragkraftspritzenfahrzeug (TSF). Da Basis 1 aber mit einem Wassertank ausgestattet war, konnte die Mannschaft daraus sofort mit dem Löscheinsatz beginnen. Zur Erinnerung: Die kleineren Feuerwehrfahrzeuge führten damals kein Löschwasser mit. Einzig Tanklöschfahrzeuge waren entsprechend ausgerüstet. Die Mehrheit der Freiwilligen Feuerwehren in Deutschland verfügte damals über kein wasserführendes Fahrzeug! Heute unvorstellbar, aber das TSF-W (es ging im Prinzip auf Basis 1 zurück) wurde erst 1990 genormt.
Basis 2 war ein Löschgruppenfahrzeug (LF) 8 mit Wassertank. 1988 ebenfalls revolutionär. Seit 25 Jahren mittlerweile Standard als LF 8/6 beziehungsweise LF 10. Und das Basis 3 war ein Berufsfeuerwehrfahrzeug, ähnlich den späteren LF 16/12 oder LF 24, heute als HLF 20 bezeichnet.
1988 war es übrigens noch üblich, in Uniform auf die Messe zu gehen. Nur vereinzelt trugen aktive Feuerwehrleute Freizeitkleidung beim Rundgang über das Messegelände. Großer Vorteil: Man hat leichter erkannt, woher die Person kommt und welchen Dienstrang sie hat. Das hat sich dann bei späteren Interschutz-Messen komplett verändert.
Wir hatten als Iveco Magirus 1988 ein eigenes Gebäude in der Nähe des Südeingangs. Schräg gegenüber war Metz platziert, daran kann ich mich noch gut erinnern. Metz stellte 1988 in Hannover die so genannte Straßenbahn-Feuerwehrfahrzeuge vor. Auch die sorgten für enorme Diskussionen. Erst einmal meckerten alle. Doch Jahre später haben alle anderen Hersteller die wesentlichen Elemente übernommen – wir auch.
Nach der Interschutz ist vor der Interschutz
Tagsüber habe ich von der Messe nicht viel gesehen. Es ging Schlag auf Schlag, da war nie Leerlauf. Die Deutsche Messe AG sprach hinterher von einem fantastischen Besucherandrang (134.583). Dies kann ich nur bestätigen. Um überhaupt mal was von den Ständen der Mitbewerber zu sehen, bin ich jeden Morgen sehr früh zum Messegelände gefahren und habe jeweils einen anderen Eingang gewählt. So konnte ich mir über die Tage einen guten Überblick verschaffen. Die größten Aussteller neben Magirus waren damals Ziegler und Metz. Rosenbauer war auch vertreten, spielte aber erst ab 1994 eine bedeutende Rolle.
1988 war ich übrigens nur während der Messetage in Hannover. Ab 1994 war ich dann der erste Magirus-Vertreter vor Ort. Und der letzte, der wieder abgereist ist. Zurück im Büro wurde einmal kurz durchgeschnauft, die Veranstaltung aufgearbeitet und dann begann die Vorbereitung auf die nächste Messe. “Nach der Interschutz ist vor der Interschutz”, hieß es bei uns.
Beruflich war 2015 meine letzte Interschutz. Aber 2021 werde ich als Privatier nach Hannover kommen. Das wird ein völlig neues Messe-Erlebnis für mich werden. Und darauf freue ich mich.
Zur Person: Der gelernte Automobilkaufmann Alfred Bidlingmaier (geboren 1960) arbeitete von 1988 bis zum 31. Dezember 2018 bei Magirus. Anfangs im Vertrieb, seit 2002 dann im Marketing. 2004 wurde er zum Marketingleiter berufen. Der Vater von zwei Kindern lebt mit seiner Frau in Notzingen. Von 1983 bis 2008 war er Kommandant der FF Notzingen. Der heutige Ehrenkommandant ist nach wie vor als Zugführer aktiv.