Würzburg (BY) – Seit dem Frühjahr 2018 verfügt die Staatliche Feuerwehrschule Würzburg neue Familienzimmer. Mit der Einrichtung von Familienzimmern möchte die Schule eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Ehrenamt erreichen und somit auch die Attraktivität der Ausbildung für Frauen in der Feuerwehr steigern.
Seit den 1950er Jahren haben sich nicht nur die Feuerwehrausbildung, sondern auch die Anforderungen an die Rahmenbedingungen der Ausbildung stark geändert. Eine Studie des Deutschen Feuerwehrverbandes “Mädchen und Frauen in den Freiwilligen Feuerwehren“ im Rahmen des Programms „Generationsübergreifende Freiwilligendienste” des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zeigt, dass unter anderem die mangelnde Vereinbarkeit von Ehrenamt und Familie einen Grund für das Fernbleiben von Frauen in der Feuerwehr darstellt.
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Durch die Kampagnen “Frauen am Zug” im Jahr 2007 sowie “Frauen zur Feuerwehr” 2015/2016 konnte eine Steigerung des Frauenanteils der Mitglieder im LFV Bayern von 5 Prozent (2007) auf 9 Prozent (2017) erreicht werden. Daher sollten auch die Ausbildungsrahmenbedingungen so gestaltet werden, dass die Vereinbarkeit von Familie und Ehrenamt gewährleistet ist.
Durch die Eröffnung der Familienzimmer haben die Lehrgangsteilnehmer/innen nun die Möglichkeit – ihre Familienmitglieder, vorranging Kleinkinder und eine Bezugsperson – ebenfalls in der Feuerwehrschule zu beherbergen, um somit das Familienleben außerhalb der Lehrgangszeiten nicht zu beeinträchtigen. Die Kind-Betreuung während der Lehrgangszeiten soll durch den mitreisenden Familienangehörigen erfolgen. Für die Gastfamilien wurden zwei Schlafräume mit jeweils einem Doppelbett sowie zwei Kinderstockbetten eingerichtet. Außerdem gibt es für die Angehörigen ein eigenes Badezimmer, eine Gemeinschaftsküche sowie einen Spielbereich, der von beiden Gastzimmern genutzt werden kann.
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So wurden die lange leerstehenden Räume des Hausmeistergebäudes, welche früher als Lehrsaal und ehemaliges Lehrerzimmer genutzt wurden, wieder neu belebt. Die Staatliche Feuerwehrschule Würzburg ist neben Regensburg und Geretsried eine der drei Staatlichen Feuerwehrschulen Bayerns. Im Jahr 2017 zählte Würzburg rund 6.000 Teilnehmern bei einem Ausbildungsangebot von über 40 verschiedenen Lehrgängen.
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Staatliche Feuerwehrschule Würzburg
Drei Feuerwehrschulen gibt es in Bayern. Alle drei werden derzeit massiv ausgebaut. Der Freistaat lässt sich die Ausbildungsstätten für die überwiegend freiwilligen Feuerwehrleute gewaltige Summen kosten. Fast 80 Millionen Euro kostet alleine der Ausbau der SFSW, wie die Staatliche Feuerwehrschule in Würzburg abgekürzt wird. Wir kamen beim Besuch der Schule aus dem Staunen nicht mehr raus.
Gigantische Übungshalle erinnert an Kathedrale
Das absolute Highlight ist die Feuerwehr-Übungshalle. Das 77 Meter lange, 40 Meter breite und bis zu 31 Meter hohe Gebäude ermöglicht einen ganzjährigen und witterungsunabhängigen Übungsbetrieb. In der Halle sind die Fassaden und einige Räume alle Gebäudetypen nach der Landesbauordnung Bayerns nachempfunden: ein komplett eingerichtetes Einfamilienhaus (kann beispielsweise für die Erkundung sogar umrundet werden), ein Hochaus (neun Stockwerke, Balkone, Lift, Wohnungen, Treppenhaus, Schleusen, Belüftungsanlagen, Müllschacht), ein Mehrfamilienhaus, ein Supermarkt, ein Altenheim/Krankenhaus und eine Spedition mit Warenlager, Laderampe und Gleisanschluss. Im Untergeschoss befinden sich diverse Übungskeller, eine Tiefgarage und ein Kanalsystem. Angesichts der Ausmaße der Übungshalle kann schon fast von einer “Kathedrale” für die Feuerwehrausbildung gesprochen werden.
Ein Novum an einer Feuerwehrschule in Deutschland ist der Übungshafen am Main. Hier kann ohne Störung durch den Schiffsverkehr die Ausbildung der Bootsführer durchgeführt werden. Der Hafen wurde für die Schule 2013/14 komplett neu angelegt. Eine 72 Meter lange Mole grenzt das Hafenbecken vom Main ab. Das Schulgelände liegt nur 500 Meter entfernt.
Brandübungshaus zu 100 Prozent ausgelastet
Bereits seit 2000 bietet die SFSW die Heißausbildung an. Das Brandübungshaus (das erste in Bayern) ist ganzjährig in Betrieb. Bis zu 1.300 Feuerwehrleute werden hier pro Jahr geschult. Damit liegt die Auslastung der Anlage bei 100 Prozent. Für die Ausbildung setzt die Schule regelmäßig auch externe Trainer ein.
In einem eigenen Sachgebiet werden durch vier Mitarbeiter die Lehr- und Lernmittel für die bayerischen Feuerwehren erstellt, auf aktuellem Stand gehalten und verschickt. Eine vergleichbare Stelle gibt es an keiner anderen Feuerwehrschule in Deutschland.
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Warum der Frontalunterricht abgeschafft wurde
Die SFSW legt großen Wert auf eine möglichst praxisnahe Ausbildung, die handlungs- und kompetenzorientiert durchgeführt wird. Die Lehrkräfte werden deshalb von reinen Wissensvermittlern zu Lernbegleitern, Moderatoren und Coaches weitergebildet. „Man muss den Leuten heutzutage kein Wissen mehr beibringen, sondern Können und Kompetenz“, sagen die beiden Schulleiter Dr. Roland Demke und Michael Bräuer. „Frontalunterricht wie im Mittelalter ist nicht mehr zeitgemäß und führt nicht zum gewünschten Erfolg.“ Die Würzburger verzichten deshalb weitgehend darauf. „Kompetenz- und Handlungsorientierung“ lauten die neuen Schlagworte. „Natürlich vermitteln wir auch Wissen“, beruhigen Dr. Demke und Bräuer, „aber anders als früher, begleitend, thematisch passend und in Teileinheiten.“
Feuerwehr-Magazin-Video: Porträt der Staatlichen Feuerwehrschule Würzburg
Die riesige Übungshalle der Würzburger Feuerwehrschule
Die größte Feuerwehr-Übungshalle Deutschlands kommt komplett ohne Stützen aus. Großflächige Glasfassaden sorgen für Tageslicht ähnliche Lichtverhältnisse im Inneren. Das Dachflächenwasser wird in einer Zisterne im Keller gesammelt und als Löschwasser genutzt. Im Untergeschoss sind für die Ausbildung diverse Kellerräume, eine Kanalisation und eine Tiefgarage samt Zufahrt eingebaut. Der Wäschekeller kann für Übungen sogar komplett geflutet werden.
In der Halle selbst sind in einem Haus-in-Haus-System alle fünf Gebäudetypen der bayerischen Landesbauordnung errichtet worden. Neben einem kompletten Einfamilienhaus (kann für die Erkundung sogar umrundet werden) steht ein Hochhaus. „Neun Stockwerke hoch, mit Wohnungen, Balkonen, Treppenhaus, Lift, Schleusen, Brandmelde- und Belüftungsanlagen, Fluren sowie einem beheizbaren Müllschacht“, erklärt Schulleiter Dr. Roland Demke.
Mehrfamilienhaus mit Supermarkt im Erdgeschoss
Direkt im Anschluss folgt ein Mehrfamilienhaus mit fünf Etagen. Im Erdgeschoß gibt es einen Supermarkt, eine Fahrschule und eine Gaststätte. Außerdem befindet sich hier der Empfang für den Bereich, der je nach Lage ein Krankenhaus, ein Altenheim oder ein Hotel darstellen kann. In den oberen Stockwerken sind Arztpraxen, unterschiedliche Büros, Aufenthalts- und Wohnräume sowie die Zimmer des Krankenhauses-Hotels-Altenheims eingerichtet. „Die Raumaufteilung bei diesen drei Nutzungsarten unterscheidet sich kaum“, erklärt Michael Bräuer, der stellvertretende Leiter der SFSW. „Je nachdem, was gerade benötigt wird, müssen wir nur die Schilder am Portal wechseln.“
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An den unterschiedlichsten Stellen im Gebäude sind Wärmeplatten verbaut. So lassen sich heiße Wände, Decken oder Türen darstellen. Ausgerüstet mit Wärmebildkameras müssen die vorrückenden Kräfte dann die Brandstellen lokalisieren. Auf der anderen Seite der Halle ist noch ein Speditionsgebäude mit Hochregallager, Büro, Laderampe und Gleisanschluss errichtet. In der Nachbarschaft befindet sich außerdem eine Baugrube.
Wenn Dummys plötzlich bewusstlos werden
Besonders stolz sind die Würzburger auf die verschiedenen Möglichkeiten zur Lagedarstellung. Dank computergesteuerter Technik können Feuer und Brandrauch simuliert werden. Auch Geräusche lassen sich einspielen. „Im Zusammenspiel mit dem Disco-Nebel wirken die Lichteffekte wie echt“, erklärt Bräuer. Die Simulationstechnik haben die Mitarbeiter der Schule übrigens selbst entwickelt. „Für die Verrauchung der einzelnen Bereiche haben wir uns bewusst für handelsübliche Nebelmaschinen entschieden“, erklärt Dr. Demke. „Die Geräte sind günstig, klein und handlich. Und sie lassen sich bei Defekten innerhalb weniger Minuten austauschen.“
Der Clou ist, wenn plötzlich Gestalten hinter den Fenstern oder auf den Balkonen der Brandwohnungen, Büros oder Krankenzimmer auftauchen und um Hilfe schreien. Die menschengroßen Dummys lassen sich über Tablets von den Ausbildern steuern. Ihre Köpfe hängen an Laufschienen unter der Decke. Und die „Bewohner“ können sogar mit den anrückenden Kräften kommunizieren. Jeder Dummy ist mit Mikrophon und Lautsprecher ausgestattet. So hört der Ausbilder beispielsweise die Anweisungen einer Drehleiterbesatzung und kann entsprechend antworten, schreien oder husten. 40 solcher Dummys sind in den Gebäuden an verschiedenen Stellen installiert.
Ganzjähriger Übungsbetrieb in der Halle
Und wenn der Ausbilder den Stresspegel der Übenden noch weiter erhöhen will, lässt er den Dummy zusammenbrechen. Auf Knopfdruck am Tablet löst sich der Magnet am Kopf der Puppe und sie sackt zusammen. „Da kann man echt vergessen, dass es sich nur um eine Übung handelt“, sagt Lehrgangsteilnehmer Daniel Borchert von der FF Wüstenstein.
Dank der Höhe von bis zu 31 Metern kann in der Halle mit einer voll ausgefahrenen Drehleiter geübt werden. “Und das ganzjährig ohne auf Witterungseinflüsse Rücksicht nehmen zu müssen”, erklärt Dr. Demke.