DFV und vfdb zum Katastrophenschutz

Braucht unser Katastrophenschutz ein Update?

Berlin/Dortmund (NW) – Sowohl der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) als auch die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) veröffentlichten jetzt Pressemitteilungen zur aktuellen Hochwasserlage. Die beiden großen Verbände kommen dabei scheinbar zu gegensätzlichen Einschätzungen, vor allem was die Ausstattung der Einheiten im Katastrophenschutz angeht.

Klimatische Veränderungen führen immer mehr zu extremen Situationen, die konkretes und abgestimmtes Handeln erfordern. Der vfdb hat dafür ein Sieben-Punkte-Positionspapier verfasst (Symbolbild).
Klimatische Veränderungen führen immer mehr zu extremen Situationen, die konkretes und abgestimmtes Handeln erfordern. Der vfdb hat dafür ein Sieben-Punkte-Positionspapier verfasst. Symbolfoto: Feuerwehr-Magazin | Hegemann

In der gestrigen Meldung „DFV-Präsident zur Flutlage“ gedenkt DFV-Präsident Karl-Heinz Banse der Opfer. Er verbindet seine Gedanken mit dem Apell an alle eingesetzten Kräfte: „Kommt möglichst alle gesund wieder zurück!“ Weiter sagt der Präsident: „Uns hilft das unglaublich dichte Netz an Feuerwehren: Allein in Bayern, Sachsen und Brandenburg stehen bei den Freiwilligen Feuerwehren 400.000 Einsatzkräfte zur Verfügung! Natürlich sind unsere Gedanken bei den Feuerwehrangehörigen unserer Nachbarländer, in denen das Hochwasser gerade wütet. Wenn hier Hilfe über das Katastrophenschutzverfahren EU-rescEU der Europäischen Union angefordert wird, stehen wir hierfür auch bereit.“

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Die vfdb warnt Bund und Länder schon länger davor, sich angesichts zunehmender Naturkatastrophen in Sicherheit zu sehen. In einem Positionspapier (veröffentlicht im Juni 2024) formulierte sie “Sieben Forderungen zur Verbesserung der Bewältigung dynamischer Schadenslagen” anlässlich der Hochwasserkatastrophe im Mai und Juni 2024.

Jetzt legt die vfdb noch einmal nach. „Im Juni erst hatten wir eine dramatische Hochwassersituation in Süddeutschland und vor wenigen Tagen den Großbrand im Harz“, sagt vfdb-Präsident Dirk Aschenbrenner. „Und nun die dramatische Situation in unseren Nachbarländern. In Süddeutschland gab es Todesopfer und Schäden in Milliardenhöhe. Ebenso wie hier kamen auch im Harz die Einsatzkräfte an die Grenzen der Belastbarkeit.“ Angesichts solcher Folgen könne nicht davon gesprochen werden, in Deutschland für solche Fälle gut aufgestellt zu sein. „Der Katastrophenschutz braucht dringend ein Update“, meint Aschenbrenner.

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Im Positionspapier wird darin eine Anpassung von Ausbildung und Ausrüstung der Einsatzkräfte sowie die Schaffung funktionsfähiger Führungsstrukturen gefordert. Zugleich ruft die vfdb dazu auf, die Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung zu stärken und aus Erfahrungen vergangener Ereignisse noch mehr für die Zukunft zu lernen. „Erinnern möchte ich nicht zuletzt an die Katastrophe im Ahrtal“, sagt Aschenbrenner. „Das Ereignis hat auf schreckliche Art bewiesen und vielfach dokumentiert, wo bei uns die Lücken sind. Aber passiert ist seitdem dennoch viel zu wenig.“ In Deutschland fehle es nicht an Erkenntnissen, was alles getan werden kann und muss. „Vielmehr haben wir das Problem, diese Erkenntnisse umzusetzen.“ Der vfdb-Präsident wies darauf hin, mit den sieben Forderungen keinesfalls die herausragenden Leistungen der größtenteils ehrenamtlichen Einsatzkräfte schmälern zu wollen.

Hier sind die sieben Punkte des vfdb-Positionspapiers:

  1. Die Ausbildung für die Einsatzkräfte der Gefahrenabwehr muss den Lagen und Risiken angepasst werden.
    Nach wie vor gibt es in Deutschland keine einheitlichen Ausbildungsunterlagen für dynamische Flutlagen oder die Vegetationsbrandbekämpfung. Es gibt keine Schulen oder Trainingsmöglichkeiten für die sichere Ausbildung und das Training dynamischer wetterbedingter Schadenslagen sowie keine praktischen Ausbildungsstätten für das gemeinsame praktische Training der verbundenen Einsatzmittel aller im Einsatz beteiligten Organisationen.
  2. Die Ausrüstung muss verbessert werden.
    Viele Einsatzkräfte verfügen nach wie vor nicht über die richtige, oder auch nur ausreichende persönliche oder spezielle Schutzausrüstung. Viele Einsatzfahrzeuge sind nicht für den Einsatz in Schadenslagen mit oft zerstörter Infrastruktur geeignet. Sichere Kommunikationsmittel, vom Sprechfunk bis zum Datenaustausch, gehören zwingend mit dazu. Kommunen müssen sich im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die lokalen Gefahren jenseits der Standardszenarien wie Wohnungsbrand oder Verkehrsunfall besser vorbereiten. Ebenso müssen sich die dafür zuständigen Bundesländer im Katastrophenschutz besser aufstellen, diesen dafür besser ausrüsten sowie auch besser ausbilden. Aus den Erfahrungen der europäischen Strukturen zu lernen ist dabei sinnvoll.
  3. Führungsstrukturen sind weiterzuentwickeln und aktuellen Anforderungen anzupassen.
    In allen Bereichen muss es funktionsfähige Führungsstrukturen und -mittel geben. Das beginnt bei der Ausstattung von Einsatzzügen mit geeigneten Führungsfahrzeugen. Es geht weiter über die Vorhaltung personell und materiell über längere Zeit funktionsfähiger mobiler und stationärer Führungsstellen bis hin zu Stäben und den Führungseinrichtungen der jeweiligen Landesregierungen. Der Informationsaustausch über alle Ebenen muss jederzeit und adäquat erfolgen. Das bedeutet kompatible Datenübertragungsstrukturen ebenso wie Lagedarstellungsmöglichkeiten und redundante Kommunikationsmittel. Dynamische Großlagen sind in Deutschland in aller Regel wetterbedingt. Das bedeutet, das Führungsgremien in der Lage sein müssen, um aktuelle Lagebilder und Prognosen in Realzeit erstellen und kommunizieren können.
  4. Naturschutz muss gegenüber Gefährdungen für Menschen, Tiere und Sachwerte abgewogen werden.
    Zu oft wird der Naturschutz nur unter einem Aspekt betrachtet. Notwendig jedoch ist es, für die bestehenden und kommenden Herausforderungen in der Gefahrenabwehr mehr praktische und pragmatische Lösungen zu finden, die auch eine Abwägung von einzelnen Maßnahmen des Naturschutzes gegenüber den dadurch hervorgerufenen oder auch nur verstärkten Risiken für Menschen, Tiere und Sachwerte beinhalten.
  5. Selbstschutz und Selbsthilfe stärken.
    Einsatzkräfte können in großen Einsatzlagen nicht alle Menschen und Objekte zur gleichen Zeit schützen. Daher gilt es, immer nach Risiken zu priorisieren und Einsätze nacheinander abzuarbeiten. Das heißt jedoch auch, dass es allen Betroffenen hilft, wenn sich die Bevölkerung möglichst selbstständig zu helfen weiß und so die Ressourcen für die wirklich wichtigen Einsätze frei bleiben. Die Bevölkerung muss wieder mehr dazu gebracht werden, selbst mit dafür zu sorgen, Gefahren zu vermeiden oder das eigene Risiko zu verringern. Hierzu gehören unter anderem das Verständnis für Warnungen, das Wissen um Alarmierungs- und Entwarnungsarten sowie eine Akzeptanz von Verboten in gefährdeten Gebieten. Die Gesellschaft sollte insgesamt befähigt werden, schnell, angemessen und zielorientiert zu handeln – ohne sich dabei selbst in Gefahr zu bringen.
  6. Prävention verbessern.
    Um die Risiken für sich und andere zu begrenzen, müssen offensichtliche Gefahren reduziert werden. Dazu gehört z.B., verstopfte Ein- und Durchflüsse zu säubern und freizuhalten; das Verbot von Feuer etc. in der Vegetation zu beachten, Entstehungsbrände zu melden und, wenn gefahrlos möglich, Brände zu löschen oder klein zu halten. Entsprechende Kenntnisse müssen in den Schulen, Unternehmen und Einrichtungen vermittelt werden.
  7. “Aus Fehlern lernen” – Fähigkeitslücken schließen.
    In Deutschland ist die systematische Auswertung von Schadenslagen immer noch nicht ausreichend etabliert. Aus den Erfahrungen der vergangenen Lagen zu lernen, muss in allen Bereichen der Gefahrenabwehr stärker beachtet werden. Fähigkeitslücken müssen systematisch identifiziert werden. Zugleich müssen durch Forschung und Entwicklung Lösungen zur Beseitigung zeitnah geschaffen werden. Besondere Aufmerksamkeit ist dabei auf den schnellen Transfer guter Lösungen in die tägliche Einsatzpraxis zu legen.

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