Die Brandbekämpfung auf Schiffen ist immer eine besondere Herausforderung für die Löschmannschaften. Wir haben einige große Brände auf See der vergangenen 30 Jahre zusammengefasst. (Kein Anspruch auf Vollständigkeit)
2016 – Hamburg
Im Hamburger Hafen brannte am 1. September 2016 ein 300 Meter langes Containerschiff. Die Feuerwehr löschte zeitweise mit Kohlendioxid und verbrauchte 65.000 Liter Schaummittel bei der Brandbekämpfung. Insgesamt 83 Stunden dauerte die Personal- und Materialschlacht, die selbst Deutschlands zweitgrößte Feuerwehr an ihre Grenzen brachte.
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Wenn in der Millionenmetropole Hamburg die Feuerwehr mit dem Stichwort “FEUWA5XY” in den Hafen gerufen wird, dann verheißt das nichts Gutes. Dann handelt es sich um ein Feuer (FEU) auf dem Wasser (WA) der 5. Alarmstufe (von 6 vorgeplanten) mit Menschenleben in Gefahr (Y) und Beteiligung von Gefahrgut (X). Es war 12.57 Uhr, als ein Disponent in der Rettungsleitstelle (RLST) den Einsatz eröffnet. In den folgenden Minuten gingen mehrere Dutzend Notrufe ein. Über der Einsatzstelle nahe der Köhlbrandbrücke stieg eine gewaltige Rauchwolke von Bord des 2015 gebauten Containerschiffes “CCNI Arauco” auf. Es ist 300 Meter lang, 49 Meter breit und hat Platz für 9.000 Standardcontainer.
Brandursache waren Schweißarbeiten im größten Laderaum des Schiffes. Nachdem der Brand zunächst unbemerkt geblieben war, kam es zu einer Verpuffung. “Es dürfte eine gewisse Vorbrennzeit gegeben haben”, erklärte Oberbranddirektor Klaus Maurer, damaliger Chef der Feuerwehr Hamburg. “Die Besatzung hatte auch noch einen Löschversuch unternommen.” Fakt ist, dass sich der Brand unter Deck wohl schon vor den ersten Notrufen massiv entwickelt hatte. “Anders kann man sich die Situation an Bord nicht erklären.”
Ganz unten in dem Containerschiff mit maximal 14,50 Meter Tiefgang loderten die Flammen. Darüber standen neun Lagen Container. Der einzige Zugang zum Schiff war eine außenbords angebrachte mobile Gangway, die nur bei Hafenaufenthalten montiert wird. Die Führungskräfte besprachen das weitere Vorgehen mit den zwischenzeitlich eingetroffenen Fachleuten der Hafenbehörde (HPA), der Umweltbehörde, der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) sowie den Crewmitgliedern des Schiffes. Eine Erkenntnis anhand der Ladepapiere: Im vom Brand betroffenen Bereich waren keine Container mit Gefahrgütern deklariert.
Dennoch wurde bei Messungen durch die Analytische Task-Force (ATF) von Wache F32 mit dem Gerät zur Kenntlichmachung in der Luft auftretender Gase (SIGIS) wiederholt Methanol in der Umgebungsluft erkannt. Die Einsatzleitung ging davon aus, dass auch Lösungsmittel brannten. Im Nachhinein stellte sich raus, dass der brennende Container auch Farben enthielt. “Warum der Container nicht als Gefahrgut deklariert war, ist Gegenstand der polizeilichen Ermittlungen”, sagte Maurer.
“Alles, was an Gefahrgut an Bord von Schiffen bei uns im Hafen ist, muss angemeldet werden”, erklärte Lutz Dreyer, der bei der Wasserschutzpolizei den Bereich Gefahrgutüberwachung leitet. Für feuergefährliche Arbeiten an Schiffen – dazu zählen die Schweißarbeiten – gibt es Vorschriften. 30 Meter um die Arbeitsstelle darf beispielsweise kein Gefahrgut gelagert sein. “In den Papieren der ‘CCNI Arauco’ waren für den Bereich, in dem geschweißt wurde, keine gefährlichen Güter deklariert.” Die Verpuffung, die den Brand ausgelöst hatte, diente als erstes Indiz, dass gegen Vorschriften bei der Ladung verstoßen wurde.
Weil die Löscharbeiten mit Trupps an Bord des Schiffes keinen Erfolg brachte, entschied sich die Einsatzleitung zur Nutzung der bordeigenen Kohlendioxid-Löschanlagen. Das Gas wurde auf dem Schiff in 400 Flaschen à 63 Kilogramm vorgehalten. Dreimal wurde der Laderaum im Laufe des Abends und der Nacht mit Kohlendioxid geflutet. Weil diese Methode keinen Löscherfolg brachte, leitete die Feuerwehr Schaum über ein Teleskopmastfahrzeug (TMF) 53 ein. Insgesamt 65.000 Liter Schaummittel wurden benötigt. Nach 83 Stunden waren die Container des betroffenen Bereichs entladen, kontrolliert und abgelöscht. In der Spitze waren bis zu 300 Feuerwehrleute zeitgleich vor Ort.
Weitere schwere Schiffsunglücke:
Das Kreuzfahrtschiff “Viking Freya” kracht am 11. September 2016 auf dem Main-Donau-Kanal bei Erlangen (BY) gegen eine Brücke. Die nicht abgesenkte Kommandobrücke reißt bei dem Crash ab und wird stark deformiert. Zwei darin eingeklemmte Besatzungsmitglieder sterben.
Am 25. Mai 2015 bricht Feuer an Bord des Mehrzweckschiffs “Purple Beach” nahe Helgoland (SH) aus.
Die “Maersk Karachi” beginnt am 14. Mai 2015 bei Bergungsarbeiten nach einem Unfall in Bremerhaven (HB) zu brennen.
Die “Atlantic Cartier” brennt am 1. Mai 2013 im Hamburger Hafen.
Das Kreuzfahrtschiff “Costa Concordia” lief am 13. Januar 2012 vor der Mittelmeerinsel Giglio auf Grund auf und bekam 65 Grad Schlagseite.
Havarie des Tankmotorschiffs “Waldhof” am 13. Januar 2011 auf dem Rhein bei Sankt Goarshausen (RP).
Kollision zweier Schiffe (“Tyumen-2” und “OOCL Finnland”) am 14. April 2011 im Nord-Ostsee-Kanal bei Albersdorf (SH)
Havarie des Binnencontainerschiffs “Excelsior” am 25. März 2007 auf dem Rhein bei Köln (NW).
Die Oststeefähre “Estonia” sank am 28. September 1994 vor der finnischen Insel Utö.
Containerschiff “Ever Level” gerät nach der Kollision mit einem Stückgutschiff auf der Unterelbe am 25. November 1983 in Brand.
Der Öltanker “Amoco Cadiz” lief am 16. März 1978 auf einen Felsen an der Küste der Bretagne und zerbrach.
2012 – Wilhelmshaven (NI)
Wilhelmshaven (NI) – Heute vor 8 Jahren – am 14. Juli 2012 – war das Containerschiff “MSC Flaminia” auf der Fahrt von Charleston (USA) über Felixstowe (Großbritannien) und Antwerpen (Belgien) bis nach Bremerhaven in Brand geraten. 57 Tage lag die “MSC Flaminia” nach dem Brandunglück (siehe Kasten) auf hoher See, weil mehrere Länder dem Hamburger Containerfrachter das Anlaufen eines Hafens verweigert hatten.
Explosionen und Feuer an Bord
Auf dem Weg von Charleston (USA) über den britischen Hafen Felixstowe und Antwerpen in Belgien sollte die Fahrt der “MSC Flaminia” eigentlich nach Bremerhaven gehen. Die Besatzung bestand aus 23 Mann. Am 14. Juli brach auf dem zur NSB Niederelbe Schiffahrtsgesellschaft in Buxtehude gehörenden Containerfrachter ein Feuer im Laderaum aus. In der Folge explodierten Teile der Ladung. Das Schiff befand sich zu diesem Zeitpunkt zwischen Kanada und Großbritannien rund 1.000 Seemeilen vom nächsten Festland entfernt. Bei den Löschversuchen kam es zu weiteren Explosionen. Mehrere Besatzungsmitglieder werden verletzt. Ein Mann stirbt, ein weiterer erliegt etwa 3 Monate später seinen schweren Verletzungen.
“MSC Flaminia”
Länge: 289 Meter
Breite: 40 Meter
Tiefgang: 14 Meter
Deadweight: 85.823 Tonnen
Hauptmaschine: MAN B&W 10K98MC-C, 57.100 PS
Baujahr: 2001
Kapazitäten: 6.750 20-ft-Container, 3.326 40-ft-Container
Heimathafen: Hamburg
Mehrere Frachtschiffe fahren den Havaristen an und nehmen Besatzungsmitglieder an Bord. Die Verletzten werden mit Rettungshubschraubern an Land geflogen. Zwei niederländische Bergungsschlepper, die “Fairmount Expedition” und die “Anglian Sovereign” werden zur “MSC Flaminia” entsandt. Am 17. Juli kommt es zu weiteren Explosion an Bord, worauf die Besatzung der inzwischen eingetroffenen “Fairmount Expedition” die Löscharbeiten unterbrechen musste. Die “Anglian Sovereign” traf am 20. Juli vor Ort ein. Am selben Abend nahm die “Fairmount Expedition” den Havaristen in Schlepp. Die “Anglian Sovereign” führte die Maßnahmen zur Brandbekämpfung fort.
Zum Schleppverband, neben dem Havaristen und den beiden Bergungsschleppern zählte schließlich auch das Mehrzweckschiff “Neuwerk”, ein Schiff der Bundespolizei sowie weitere Schlepper. Westlich von Helgoland hatte der Verband auf Seeposition gelegen. Die “Neuwerk” hatte einen Chemiker, einen Bergungsspezialisten, einen Experten des Germanischen Lloyd, eine Analytische Task Force des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sowie zwei Nautiker an Bord gebracht. Sie sollten auf der “MSC Flaminia” Wasser-, Luft- sowie Oberflächenproben nehmen sowie den Schiffszustand analysieren.
Unterstützt wurden sie dabei von einer Brandbekämpfungseinheit (BBE) des Havariekommandos in Cuxhaven. Von den rund 2.876 Containern unterschiedlicher Größe, die der Frachter geladen hatte, waren 151 Gefahrgutcontainer. Davon waren zahlreiche durch das Feuer komplett zerstört und andere beschädigt.
Schließlich wurde die “MSC Flaminia” ins damals neue Eurogate Container Terminal Wilhelmshaven geschleppt, um dort kontrolliert dekontaminiert und entladen zu werden. An Land in direkter Nähe zum Liegeplatz wurde eine Wachstraße für die Container eingerichtet, in der mittlerweile rund ein Drittel der insgesamt 2.876 Container an Bord von Ruß, Löschwasser und anderen Anhaftungen befreit werden konnte. Darunter waren auch mehrere “heiße Container”, in denen unter anderem gepresste Papierrollen immer wieder zu brennen begonnen hatten. Mehrfach musste die Berufsfeuerwehr Wilhelmshaven daher zu Löscharbeiten ins Containerterminal ausrücken. Während der Entladearbeiten hatte die BF zudem eine Brandwache gestellt.
Die Feuerwehr Wilhelmshaven hatte vorsorglich das gerade neu beschaffte Cobra-Löschsystem sowie einen 250-Kilogramm-Pulveranhänger zur Feuerwache 2 in den Stadtnorden verlegt. Diese Wache liegt in unmittelbarer Nähe zum CTW. Weitere 1.000 Kilogramm Löschpulver standen auf Fahrzeugen der Werkfeuerwehren INEOS und Wilhelmshavener Raffineriegesellschaft zur Verfügung. Außerdem konnte auf 75 Kubikmeter Schaummittel aus dem mit den Werkfeuerwehren gebildeten Schaummittelverbund zugegriffen werden.
2 Tage, nachdem das Schiff im Container Terminal Wilhelmshaven festgemacht hatte, musste die Berufsfeuerwehr Wilhelmshaven zum Schiff ausrücken. Bei routinemäßigen Messungen waren an einem mit gepressten Papierrollen beladenen Container Temperaturen von über 200 Grad Celsius festgestellt worden. Löschen ließ es sich nicht, da der Container unter Deck gestaut und nur schwer erreichbar ist.
Es gelang den Kräften der Berufsfeuerwehr, die mit zwei Löschfahrzeugen, Einsatzleitwagen sowie einem Logistikfahrzeug vor Ort war, die Temperatur in dem betroffenen Container auf 30 Grad Celsius herunterzukühlen. Auch der Gerätewagen-Atemschutz, besetzt mit zwei Kräften der FF Rüstringen, rückte in den Hafen aus.
Erst nach mehreren Stunden konnten die Kräfte gegen 1 Uhr nachts die Einsatzstelle wieder verlassen. Am nächsten Morgen mussten die Kräfte der Feuerwache 2 erneut ausrücken. Wiederum hatten sich die Außenwände des Containers auf über 200 Grad Celsius erhitzt. Aufgrund der Schäden im Entstehungsbereich des Brandes konnten die Ermittler die Brandursache nicht mehr feststellen.
2011 – Lingen (NI)
Ein Großfeuer in einem Hafen in Holthausen hat in der Nacht zu Dienstag (29. März 2010) die Feuerwehr in Lingen Ems (Kreis Emsland) in Atem gehalten. Eine Verpuffung und mehrere Explosionen auf einem mit Benzin beladenen Tankschiff waren dem Großbrand vorausgegangen. Ein Besatzungsmitglied erlitt leichte Verletzungen. Die Flammen schlugen mehr als 40 Meter hoch in den Himmel, das Schiff sank später auf den Boden des etwa 3,5 Meter tiefen Hafenbeckens neben einer Raffinerie.
Gegen 22.50 Uhr (28. März) war es nach Angaben von BP, die die Raffinerie betreibt, zu einer “massiven Verpuffung” an Bord des Tankers gekommen. Zeugen sprachen von drei heftigen Explosionen, die weithin spür- und hörbar waren. Anfänglich wurden fünf Besatzungsmitglieder vermisst, alle konnten jedoch im Einsatzverlauf angetroffen werden. Das Feuer breitete sich, bedingt durch den brennend auslaufenden Kraftstoff, auf rund 200 Meter Länge im Hafen und im Dortmund-Ems-Kanal aus.
Die Werkfeuerwehr BP sowie zahlreiche umliegende Freiwillige Feuerwehren rückten an. Die Einsatzkräfte nahmen einen massiven Schaumeinsatz aus stationären und mobilen Werfern vor. Dabei mussten vor allem die übrigen im Hafen liegenden Schiffe geschützt werden.
Vorsorglich wurden die Anwohner aufgefordert, Fenster und Türen geschlossen zu halten. Nach Polizeingaben seien jedoch keine belastenden Schadstoffe in der Luft festgestellt worden. Die Bundesstraße 70 sowie weitere Straßen um das Hafengebiet mussten gesperrt werden. Das Feuer konnte in der Nacht gelöscht werden. Das Wasser-Benzin-Gemisch blieb jedoch brand- beziehungsweise explosionsgefährlich.
2010 – Fehmarn (SH)
Der Brand auf der Fähre “Lisco Gloria” im Oktober 2010 vor Fehmarn (Kreis Ostholstein) war der größte Unfall in deutschen Küstengewässern in den vergangenen 20 Jahren. Vorbildliche Erstmaßnahmen und glückliche Umstände sorgten dafür, dass es wenig Verletzte und keine Todesopfer gab. Doch es hätte auch ganz anders kommen können.
Die Linie Kiel – Klaipeda verbindet Litauen mit Deutschland. Sechsmal pro Woche legt ein Fährschiffen in Kiel ab und macht sich auf die 21 Stunden lange Reise über die Ostsee ins ehemalige Memel. Überwiegend Lkw nehmen die Fähren mit – aber auch Urlauber. An Bord der 200 Meter langen “Lisco Gloria” waren am Freitag, 8. Oktober 2010, knapp 90 Lkw-Trailer. Deren Ladung: diverse Güter, auch Gefahrgut wie Farben, Lösungsmittel und Alkohole.
Um 22 Uhr machte die Fähre die Leinen los. Inklusive Besatzung waren 236 Menschen an Bord. Gegen Mitternacht befand sich die Fähre rund 5 Seemeilen (zirka 9,2 Kilometer) nordwestlich der Insel Fehmarn. Zu diesem Zeitpunkt wurde eine Explosion auf dem offenen Lkw-Deck bemerkt. Flammen schlugen aus einem Laster. Später wurde ermittelt, dass das Kühlaggregat in Brand geraten war.
Besatzungsmitglieder versuchten, die Flammen mit Handfeuerlöschern einzudämmen. Stationäre Löschanlagen gab es auf dem offenen Deck nicht. Die Löschversuche scheiterten. Angefacht vom Ostseewind, der mit Stärke 5 auf der offenen See pustete, breiteten die Flammen sich aus. Zwischen den dicht an dicht stehenden Trailern trat ein Kamineffekt ein, was die Brandausbreitung beschleunigte.
Der Kapitän der Fähre erkannte den Ernst der Lage und reagiert: Er setzte um 0.05 Uhr den Notruf ab und ließ das Schiff 15 Minuten später evakuieren. Die Rettungsboote wurden herabgelassen. Teilweise nur leicht bekleidet, bestiegen die Passagiere die Boote. Der Notruf wurde vom “Maritime Rescue Coordination Center” der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) in Bremen aufgenommen und umgehend an das Maritime Lagezentrum des Havariekommandos in Cuxhaven (NI) weitergeleitet.
Als erstes Schiff erreichte die “Neustrelitz” der Bundespolizei See gegen 0.30 Uhr den Havaristen. Die 48,9 Meter lange und 8,65 Meter breite “Neustrelitz” war auf Patrouillenfahrt. Das Kommando über das 450-Tonnen-Schiff mit seiner 14-köpfigen Besatzung hatte in dieser Nacht Polizeihauptkommissarin Birgit Thärichen (40). Vor Ort wurde den Bundespolizisten klar: “Ans Feuerlöschen ist nicht mehr zu denken.” Die Besatzung der “Neustrelitz” nahm die Passagiere aus den Rettungsbooten auf. Die “Lisco Gloria” stand zu zwei Drittel in Brand. Mehrere Schiffe machten sich auf den Weg, um zu helfen.
Schock: Noch ein Junge an Bord der brennenden Fähre
Zu dramatischen Szenen kam es am Vorschiff der “Lisco Gloria”. Aus einem Kabinenfenster machte ein 14-jähriger Junge verzweifelt auf sich aufmerksam. Ihm war der Fluchtweg durch die bereits verqualmten Kabinengänge versperrt. Die Besatzung eines alarmierten SAR-Hubschraubers des Marinefliegergeschwaders 5 aus übernahm die Rettung. Ein abgewinschter Marineflieger zog den Jungen durch das kaputte Kabinenfenster. Der 14-Jährige wird vorsichtshalber nach Kiel ins Krankenhaus geflogen. Er wurde aber nur leicht verletzt.
Während die Rettungsarbeiten vor Ort liefen, herrschte im Havariestab des Havariekommandos in Cuxhaven Hochbetrieb. Das Havariekommando arbeitete weitgehend weisungsunabhängig und konnte in eigener Regie Mittel und Kräfte einsetzen. Da nach dem Notruf der “Lisco Gloria” unklar war, mit wie vielen Verletzten oder gar Toten zu rechnen war, wurden alle verfügbaren Hubschrauber an den Küstenlinien belegt. Auch musste das eventuelle Übersetzen von Feuerlöschequipment und -personal auf diesem Wege sichergestellt werden.
Das deutsche Mehrzweckschiff “Scharhörn” ist ebenfalls schnell vor Ort und konnte mit seinen Monitoren mit der Brandbekämpfung beginnen. Der Kapitän meldete zahlreiche Explosionen auf dem Ladedeck. Immer mehr Lkw brannten, deren Treibstofftanks explodierten. Von Kiel aus war das Feuer- und Ölbekämpfungsschiff “Kiel” unterwegs. Um 5.20 Uhr meldete sich die “Kiel” vom Einsatzort. An ein Übersteigen von Kräften auf den Havaristen war nicht mehr zu denken. Es wurde versucht, den Brand mit den Monitoren einzudämmen. Das Verletztenversorgungsteam aus Kiel war inzwischen mit einem Polizeiboot auf der “Deutschland” angekommen und meldete 28 leicht Verletzte. Darunter waren leichte Rauchgasintoxikationen und leichte Brandverletzungen.
Die Löscharbeiten kamen indes nicht voran. Mehrere Schiffe mit Feuerlöscheinrichtungen spritzten pausenlos Löschwasser auf das Schiff – ohne dass das Feuer gelöscht werden konnte. Immer wieder kam es zu Explosionen. Die Flammen hatten mittlerweile die Aufbauten erfasst. Die Fähre brannte in voller Ausdehnung. Inzwischen trieb die “Lisco Gloria” mit 15 Grad Schlagseite – bedingt durch das Löschwasser – führerlos durch die Ostsee in Richtung dänische Küste bei Langeland.
Da die Gefahr des Kenterns oder Auseinanderbrechens nicht ausgeschlossen werden konnte, entschloss das Havariekommando in Abstimmung mit den Kräften vor Ort, die Löscharbeiten einzustellen. Stattdessen wurde nur noch die Außenhaut gekühlt, um die Struktur des Schiffes zu schützen. So sollte das Kentern oder Auseinanderbrechen verhindert werden. Das Schiff sollte kontrolliert ausbrennen. Daher wurden die meisten Schiffe nach und nach abgezogen.
Ein Bergungsunternehmen aus Holland war inzwischen von der Reederei beauftragt. Dessen Mitarbeiter standen sowohl beratend im Stab als auch vor Ort zur Verfügung. In der Nacht zum 10. Oktober übernahm Dänemark die Einsatzleitung der Umweltschutzmaßnahmen. Das Schiff lag mittlerweile in dänischen Hoheitsgewässern. Das deutsche Mehrzweckschiff “Scharhörn” sowie die Schlepper “Baltic” und “Bülk” blieben noch vor Ort und unterstützen die dänischen Schiffe.
Das Havariekommando gab die Gesamteinsatzleitung am 10. Oktober um 14.30 Uhr an Dänemark ab. In den folgenden Tagen konnten Bergungsexperten erstmals an Bord gehen und Brandnester löschen. Nachdem die “Lisco Gloria” am 22. Oktober in den dänischen Hafen Odensee geschleppt worden war, konnten die letzten Brandnester gelöscht werden.
1990 – Feuer auf der “Scandinavian Star”
Oslo (Norwegen)/Frederikshavn (Dänemark) – Samstag, der 7. April 1990. Gegen 2:26 Uhr funkt die unter der Flagge der Bahamas fahrende Fähre “Scandinavian Star” Mayday mit dem Hinweis, dass es auf dem Schiff brennen würde. Das 1971 gebaute Schiff hatte erst vor einer Woche den Liniendienst in der Ostsee aufgenommen. Die aus verschiedenen Nationalitäten zusammengestellte Crew hatte keine Rettungsübung absolvier, verstand die skandinavische Sprache der Passagiere nicht und war völlig überfordert.
Der ausgelöste Feueralarm wurde zudem nicht auf dem ganzen Schiff wahrgenommen. Dennoch bestätigte der Kapitän der “Scandinavian Star” seinem Kollegen auf der nur eine Viertelstunde später eintreffenden Fähre “Stena Saga” die vollständige Evakuierung von Passagieren und Besatzung. Ein fataler Fehler. 159 Menschen kamen bei den Unglück ums Leben.