Warschau – Die polnische Feuerwehr ist von ihrer Struktur her der deutschen relativ ähnlich. Doch im Detail werden die Unterschiede deutlich. Welche Fahrzeuge die Straż Pożarna besitzt und wie das Feuerwehrwesen in unserem Nachbarland funktioniert, erklären wir Euch hier.
Feuerwehr heißt auf Polnisch Straż Pożarna (Aussprache: das “r” wird gerollt; das “ż” wie ein stimmhaftes “sch” gesprochen, ähnlich dem zweiten “g” in “Garage”). Auf den Jacken und Fahrzeugen der Feuerwehrleute (Strażaks) steht häufig nur Straż, was wörtlich übersetzt so viel heißt, wie Wache oder Wachposten.
Anzeige
Freiwillige Feuerwehr und Staatliche Feuerwehr
In Polen ist die Feuerwehr hauptsächlich in zwei Gruppen unterteilt – die so genannte Staatliche FeuerwehrPSP (Państwowa Straż Pożarna) und die Freiwillige Feuerwehr OSP (Ochotnicza Straż Pożarna). Sie unterscheiden sich nicht nur durch ihre Struktur, sondern beispielsweise auch durch die Helmfarben: während die hauptamtlichen PSP-Feuerwehrleute rote Helme verwenden, tragen die freiwilligen OSP weiß.
Wie in Deutschland auch, gibt es zudem Werkfeuerwehren (Zakładowa Straż Pożarna) sowie insgesamt 91 Feuerwehren der Streitkräfte (Wojskowa Straż Pożarna).
Feuerwehr International: Die Löschwesen in anderen Ländern
Die PSP verfügt landesweit über 502 ständig besetzte Feuerwachen (Strażnica), davon fünf Lehrfeuerwachen bei Feuerwehrschulen. Hinzu kommen noch 28 “Außenposten” (posterunek), die typischerweise ein bis drei Großfahrzeuge und eine Rumpfbesatzung von vier bis fünf Kräften aufweisen. Sie dienen dazu, Anfahrtszeiten in abgelegenen Gebieten zu verringern.
Neben den Großstadt-BFs sind auf Kreisebene (Landreis = powiat) je ein oder mehrere Rettungs- und Feuereinheiten (Jednostek Ratowniczo-Gaśniczych, JRG) der PSP stationiert, die ebenfalls rund um die Uhr im Dienst sind. Mitunter werden sie durch die insgesamt 15.785 Standorte der Freiwilligen Feuerwehr unterstützt.
In der Stadt und dem Landkreis Olsztyn beispielsweise, gibt es insgesamt drei JRGs. Zwei der hauptamtlichen PSP-Wachen stehen in der Stadt, eine ist ländlich angesiedelt. Dazu kommen mehr als 25 Freiwillige Feuerwehren im gesamten Kreis.
Jede Freiwillige Feuerwehr ist gleichermaßen auch ein eingetragener Verein. Spenden sind ein fester Bestandteil von dessen Finanzierung. Für größere Anschaffungen erhält der Verein Zuschüsse, vor allem aus dem Haushalt des polnischen Innenministeriums.
Für den Unterhalt des Feuerwehrhauses (Remiza strażacka) ist nach polnischem Brandschutzgesetz jedoch die Gemeinde (Gmina) zuständig. Sie beschafft auch die persönliche Schutzausrüstung und trägt die laufenden Kosten, beispielsweise von Kraftstoff und Heizung sowie der Pflichtversicherung von Fahrzeugen und Kameraden.
Die Ausbildung der ehrenamtlichen Einsatzkräfte erfolgt durch die staatliche Feuerwehr. “Bei uns herrschen ziemlich strenge Ausbildungsvorschriften”, sagt Konrad Nowak, Wehrleiter und Vereins-Vorstandsvorsitzender (Prezes) der OSP Rzepin (deutsch: Reppen). “Nur Atemschutzgeräteträger sind in der Einsatzabteilung zugelassen. Besteht man die Atemschutzstrecke nicht, ist man raus.”
Aufwandsentschädigung für die FF
Für Einsätze sowie Übungen und Schulungen erhalten die Feuerwehrleute der OSP eine Aufwandsentschädigung von der Gemeinde. “Es gibt eine gesetzliche Höchstsumme, die derzeit bei etwa 29 Złoty pro Stunde liegt”, erklärt Nowak. Bei einem Wechselkurs von etwa 0,23 Euro zu einem Złoty (Stand 14. August 2020) entspricht das rund 6,65 Euro pro Stunde. “Allerdings gibt es keine Untergrenze, sodass in einigen Gemeinden nur 5 Złoty pro Stunde bezahlt werden. Der Durchschnitt liegt aber – was zumindest Umfragen auf Feuerwehrportalen belegen – bei etwa 15 Złoty”, fügt er hinzu. Es gebe sogar Feuerwehren, die auf deren Auszahlung an die Kameraden teilweise oder ganz verzichten, da sie sich der Tradition, völlig unentgeltlich zu arbeiten, verpflichtet fühlen.
Die Probleme bei den Freiwilligen Feuerwehren seien ähnliche wie in Deutschland. “Vor allem die Tageseinsatzbereitschaft bereitet Sorgen”, so der Wehrleiter. “Es müssen recht oft mehrere Feuerwehren sofort mitalarmiert werden, weil man vor Ort nicht mal eine volle Staffel zusammenkratzen kann. Davon sind sowohl Dorf-, als auch Kleinstadtwehren betroffen”. Oft müssten sich die polnischen Kameraden dagegen entscheiden, den Arbeitsplatz bei Alarmierung zu verlassen. Denn sie sind gesetzlich nicht vor einer möglichen Entlassung geschützt.
In den meisten Großstädten gibt es nur sehr wenige oder gar keine Freiwillige Feuerwehren im Stadtgebiet. Eine Ausnahme bildet jedoch Lodsch, wo neben elf JRGs auch zwölf Freiwillige Feuerwehren verfügbar sind. Vier davon sind Spezialisten für konkrete Aufgaben, so zum Beispiel gibt es eine reine Search-and-Rescue- (USAR) sowie eine Tauchereinheit.
Nationales Rettungs- und Brandbekämpfungssystem
Die PSP wird vom Oberbefehlshaber geleitet, der im nationalen Hauptquartier der staatlichen Feuerwehr in Warschau sitzt. Er untersteht direkt dem Innenminister. Weiterhin hat der Oberbefehlshaber die Führung über das Nationale Rettungs- und Brandbekämpfungssystem (Krajowy System Ratowniczo-Gaśniczy, KSRG). Es handelt sich dabei um ein zentrales Organ für die Koordinierung insbesondere von überregionalen und Katastrophenschutz-Lagen. Das Rückgrat bildet die Staatliche Feuerwehr, deren sämtliche Einheiten (Feuerwehrschulen inklusive) dazugehören. Etwa ein Viertel der Freiwilligen Feuerwehren sowie einige Werk- und Militärfeuerwehren sind ebenfalls darin eingegliedert. So zum Beispiel die größte WF Polens am zentralen Standort des nationalen Ölkonzerns Orlen in Płock.
KSRG-Feuerwehren sind in erster Linie Stützpunkt-Feuerwehren, die nicht nur die Brandbekämpfung, sondern auch vor allem die Technische Hilfeleistung und die medizinische Notfallversorgung von Patienten übernehmen können. Je nach Bedarf kommt dazu auch Wasser- oder Höhenrettung hinzu. Im Unterschied zu nicht-KSRG-Wehren ist ihr Einsatzgebiet nicht die eigene Gemeinde, sondern der Landkreis. Das langfristige Ziel ist, zumindest zwei Feuerwehren in jeder Gemeinde ins KSRG einzugliedern, damit auch Hilfsfristen eingehalten werden können.
“Die Zielvorgabe ist, dass die KSRG-Feuerwehren jeden Punkt in ihrem Zuständigkeitsbereich innerhalb von 15 Minuten nach Alarmierung erreichen können. Das erste Fahrzeug muss höchstens nach 5 Minuten ausrücken”, sagt Nowak. “Die verbleibenden 10 Minuten Anfahrtszeit sind aber oft in ländlichen, dünn besiedelten Gebieten, nicht ausreichend”.
Das KSRG stellt auch eine Art Pendant zum deutschen THW beziehungsweise Katastrophenschutz-Einheiten dar. Denn in Polen gibt es keine vergleichbare Institution. Deswegen verfügen alle dem KSRG zugehörigen Feuerwehren über eine erweiterte Ausstattung – unter anderem für die Technische Hilfeleistung, Wasserrettung und medzinische Notfallversorgung. Dazu kommt oft auch ein erweiterter Fuhrpark für den Katastrophenschutz beziehungsweise Überlandhilfe.
Auf unterster Ebene kann das KSRG in einem Kreis aktiviert werden – ähnlich einer Kreisfeuerwehrbereitschaft, die es in vielen deutschen Bundesländern gibt. Eine Bereitschaft (kompania = Kompanie) besteht aus drei oder vier Zügen. Nimmt ein Schadensfall größere Ausmaße an, wird die Koordinierung auf Ebene der Woiwodschaften (vergleichbar mit Bundesländern) oder auf zentraler Ebene auf das gesamte polnische Staatsgebiet ausgeweitet.
17 Notrufzentralen
Wählt jemand in Polen die “112”, nimmt ein Disponent einer Notrufzentrale (Centrum Powiadamiania Ratunkowego, CPR) den Anruf entgegen. Davon existieren in Polen lediglich 17: eine in jeder Woiwodschaft plus eine in der Hauptstadt Warschau.
Der Disponent leitet dann entweder die erforderlichen Daten und gegebenenfalls das Telefongespräch an eine Kreis- oder städtische Leitstelle (Powiatowe/Miejskie Stanowiska Kierowania) der Polizei (Policja), der Staatlichen Feuerwehr oder des Staatlichen Rettungsdienstes (Państwowe Ratownictwo Medyczn, PRM) weiter. Dafür existiert ein landeseinheitliches Computersystem. Der Disponent der örtlichen Leitstelle wiederum lässt die Einsatzkräfte zum Notfallort alarmieren.
Polnische Feuerwehr Fahrzeuge
Feuerwehrfahrzeuge (Samochód pożarniczy) sind in Polen in ähnliche Typen eingegliedert wie in Deutschland. Größter Unterschied: die Einheiten sind grundsätzlich in Trupp- bis Staffelstärke gegliedert (zastęp = taktische Einheit mit drei bis sechs Feuerwehrleuten plus Lösch- oder Sonderfahrzeug).
Die Bezeichnungen beziehungsweise Abkürzungen der Feuerwehrfahrzeuge beruhen nach alter polnischer Norm auf einem Code aus Buchstaben und nachfolgenden Zahlen. Die Bezeichnungen aus dieser alten Norm werden landesweit noch im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet. Die ersten Buchstaben des Codes definieren die wichtigsten Fahrzeugmerkmale in der Reihenfolge:
Fahrzeugtyp
G = Löschfahrzeug (samochody ratowniczo–gaśnicze z pompą = Rettungs- und Feuerwehrfahrzeuge mit Einbaupumpe)
S = Spezialfahrzeug (samochody ratowniczo–gaśnicze specjalne = Feuerwehrfahrzeug mit Spezialausrüstung, mit oder ohne zusätzliche Speziallöschmittel)
Gewichtsklasse
L = Leichtes Fahrzeug bis zu 7,5 Tonnen
kein Buchstabe = Mittelschweres Fahrzeug zwischen 7,5 und 16 Tonnen
C = Schweres Fahrzeug über 16 Tonnen
Die darauffolgenden Buchstaben und Ziffern geben an:
Spezialfahrzeugtyp oder Standardfahrzeugtyp mit folgender Ausstattung
Dł (dowodzenia i łączności = Befehl und Kommunikation) ≈ Einsatzleitwagen
Op (operacyjny = Betrieb) ≈ Kommandowagen beziehungsweise Dienst-Pkw mit Blaulicht und Funkgerät
R/Rr (Rozpoznania/Rozpoznawczo-ratowniczy = Diagnose/Aufklärung und Rettung) ≈ Mehrzweckfahrzeug/First Responder-Fahrzeug. Leichte Variante (SLRr) meist auf Basis eines Pick-Ups. In der Waldbrandsaison häufig mit Wassertank-Modul und Hochdrucklöschanlage ausgestattet. Bei der PSP eher als Erkunder genutzt.
A (autopompa = Einbaupumpe) ≈ Löschfahrzeug mit Förderleistung in Hektoliter pro Minute (hl/min; 1 Hektoliter = 100 Liter)
B (zbiornik wodny = Wassertank) ≈ Tanklöschfahrzeug mit Wassertank-Volumen in Kubikmeter
D (drabina = Leiter) ≈ Drehleiter mit Rettungshöhe in Meter
Dź (dźwig = Kran) ≈ Feuerwehrkran mit Tragfähigkeit in Tonnen
H (podnośnik hydrauliczny) ≈ Teleskopmastfahrzeug mit Rettungshöhe in Meter
M (motopompa = Tragkraftspritze) ≈ Tragkraftspritzenfahrzeug mit Förderleistung in Hektoliter pro Minute
On (oświetlenie = Beleuchtung) ≈ Lichtmastfahrzeug mit Leistung des Stromerzeugers in Kilovoltampere
Pr (ładunek proszkowy = Pulverladung) ≈ Trockenlöschfahrzeug mit Masse des Löschmittels
Z ≈ Tankwagen mit Wassertank-Volumen in Kubikmeter
Die aktuelle Fahrzeugnorm in Polen richtet sich nach der DIN EN 1846-1:2011-07 “Feuerwehrfahrzeuge – Teil 1: Nomenklatur und Bezeichnung”.
Auf vielen polnischen Feuerwehrfahrzeugen, wie zum Beispiel den SLRr, sind genormte Notfallrucksäcke verlastet. Es werden landesweit normierte Rücksäcke mit einem sogenannten R1-Set (Zestaw ratowniczy R1) verwendet. Dieses ist üppiger ausgestattet, als die deutsche Normung und verfügt neben erweitertem Verbandmaterial unter anderem über Guedel-Tuben, eine kleine Sauerstoff-Flasche, einen Absauger und Salzlösung. Es kommen noch Kramer-Schienen und ein Spineboard dazu. Die polnische Feuerwehr ist nämlich in erweiterter Erste Hilfe ausgebildet. Ebenso sind Automatisierte externe Defibrillatoren (AED) auf polnischen Fahrzeugen gängig.
“Das liegt auch daran, dass in den Landkreisen meist nur wenige Rettungswagen stationiert sind”, sagt Wehrleiter Nowak. “Ein Trupp soll in der Lage sein, einen Patienten notfallmedizinisch zu betreuen, bis der Rettungsdienst eintrifft, beziehungsweise solange nicht ausreichend Rettungsassistenten vor Ort sind, um alle Verletzten zu versorgen. Dafür dürfen wir beispielsweise auch Sauerstoff geben.”
Polnische Jugendfeuerwehr
Die Jugendfeuerwehr (Młodzieżowa Drużyna Pożarnicza, MDP) ist in Polen sehr unterschiedlich organisiert. Die einzelnen Freiwilligen Feuerwehren legen beispielsweise das Eintrittsalter sowie auch die Bekleidung fest. Dementsprechend sind die polnischen Kameradinnen und Kameraden nicht einheitlich bekleidet. Die obere Altersgrenze ist landesweit allerdings auf 18 Jahre festgelegt. Und generell wird viel Wert auf sportliche Aktivitäten gelegt.
Autoren: Nils Sander, Redakteur Feuerwehr-Magazin & Konrad Nowak, Wehrleiter der FF Rzepin
Im Feuerwehr-Magazin 4/2020 verraten wir Euch, wie Partnerschaften mit polnischen Jugendfeuerwehren aussehen!