Hittfeld (NI) – Seit 2022 besteht im Kreis Harburg eine kreisweit einsatzfähige Facheinheit PSNV (Psychosoziale Notfallversorgung). Neben 24 Peers, ausgebildeten Kameradinnen und Kameraden, besteht diese auch aus Psychosozialen Fachkräften. Eine davon ist Leiter und Mitinitiator der Facheinheit Dirk Jäger. Wir haben mit dem Pastor und Notfallseelsorger gesprochen.
„Der Gedanke bei der Einführung war, eine eigene Unterstützung für unsere rund 5.000 Einsatzkräfte in den 107 Ortswehren zu haben. Und zwar ‚aus der Feuerwehr, für die Feuerwehr‘. Im Kreis gab es seinerzeit keine solche Facheinheit, ich war zuvor das eine oder andere Mal als Notfallseelsorger allein zu einer Lage gerufen worden. Allerdings war deutlich, dass eine eigene Gruppe sinnvoll ist. Seit 1. Oktober 2022 sind wir ins Alarmierungskonzept der Leitstelle in Harburg eingebunden. Wir können als PSNV-Fachgruppe wie andere Einsatzmittel auch nachalarmiert werden, eine Drehleiter oder ein Rüstwagen beispielsweise“, so Jäger.
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25 Einsätze hatte die Facheinheit seit ihrer Gründung. Zur Hälfte ist sie zu begleitenden Maßnahmen (On-Scene-Support) gerufen worden. Der bisher größte Einsatz war der Unfall mit einem Radlader während eines Zeltlagers in Toppenstedt im Juli 2023. Damals verstarben ein Kind sowie ein Erwachsener, es gab mehrere Schwerverletzte. „Es war am Anfang eine sehr unübersichtliche Situation. Viele Kinder und Eltern galt es zu betreuen, aber eben auch Einsatzkräfte. Rund 300 Leute liefen rings um den Unglücksort hin und her, der direkt am Feuerwehrhaus war. Zwischenzeitlich war auf ‚Massenanfall von Verletzten 15‘ erhöht worden, vier, fünf Helis waren im Einsatz. Das Krisen-Interventions-Team der Johanniter hat uns mit den Betroffenen unterstützt, als leitender Theologe im Kirchenkreis konnte ich in kurzer Zeit noch zehn Pastorinnen und Pastoren als ‚Profi-Seelsorger‘ einbinden. Ein komplexer, sehr fordernder Einsatz, bei dem nicht alles nach Lehrbuch ablief. Aber ‚Leben in der Lage‘ mit der nötigen Flexibilität gilt auch für die PSNV.“
Mittlerweile gebe es seiner Einschätzung nach keinerlei Reserviertheit mehr der PSNV-Einheit gegenüber. Die Akzeptanz sei da. „Viele sind tatsächlich auch stolz darauf, dass der Kreisfeuerwehrverband über eine eigene PSNV-E-Einheit verfügt. Einer meinte mal zu mir: ‚Ihr seid die lila Wand zum Anlehnen!‘ Das fand ich toll“, sagt Jäger.
„Sprechwunsch“ (6 Seiten) in FM 9/2024
Psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte
Darüber reden, verarbeiten, einsatzbereit bleiben. Seit mehr als 20 Jahren unterstützen ausgebildete Fachgruppen Feuerwehrleute während und nach belastenden Einsätzen oder leiten sie präventiv an, um emotional vorbereitet zu sein. Wir haben für die Feuerwehr-Magazin-Ausgabe 9/2024 mit Experten aus der Psychosozialen Notfallversorgung für Einsatzkräfte (PSNV-E) über die Unterstützung der Helferseele gesprochen.
Fachkräfte im Bereich der PSNV – die es auch als Variante für Betroffene (PSNV-B) gibt – unterstützen Menschen in und nach außergewöhnlichen Notfall- oder Einsatzerfahrungen darin, diese emotional und psychisch zu bewältigen. „Wir können die Retter mit unserem Präventionsunterricht ein Stück weit vorbereiten. Man kann trainieren, sich von belastenden Ereignissen nicht sofort überwältigen zu lassen“, so Erneli Martens. Seit 2003 ist sie Landesfeuerwehrpastorin in Hamburg und leitet die Notfallseelsorge in der Hansestadt.
PSNV-E wird in drei Bereiche unterschieden: Einsatzvorbereitung oder primäre Prävention, Einsatzbegleitung sowie die Einsatznachsorge im Anschluss. Hier können Retter nach belastenden Lagen mit Gesprächen das Erlebte aufarbeiten und verarbeiten.
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Dass ein Helfer eine emotional-psychische Überlastung erfahre, ist oftmals der Komplexität der Situation vor Ort geschuldet. Trotz aller Ausbildung, aller Gerätschaften und aller Kompetenz, die zur Verfügung stehen, lässt sich nicht jede Lage beherrschen. „Wenn jemand nicht gerettet werden kann, können Gefühle der Hilflosigkeit oder Verzweiflung entstehen. Ganz klar: Nicht jeder Einsatz geht gut aus! Das unmittelbare Miterleben des Todes kann ein starker Belastungsfaktor sein“, berichtet Professor Karutz. Dann funktionieren bisweilen die gelernten Copingstrategien (Bewältigung) nicht mehr, Retter können emotional überfordert sein und selbst Hilfe brauchen.
Deswegen sei die gesamte Mannschaft gefordert, aufeinander achtzugeben und den Blick füreinander zu haben: Zieht sich ein Kamerad zurück, ist eine Kollegin schweigsamer als sonst, meldet sich vielleicht im Nachgang jemand oft krank und/oder vermeidet, zum Dienst zu kommen? „Das können Konzentrationsschwierigkeiten oder Gereiztheit sein, eine höhere Konfliktbereitschaft mit anderen. Es fällt einfach auf: So war die Person zuvor nicht“, erklärt SbE-Gründer Gengenbach. Der Pfarrer hat in Deutschland mit anderen die Seelsorge in Feuerwehr und Rettungsdienst aufgebaut, ist Ausbildungsleiter für PSNV-E sowie Fachberater Seelsorge der Feuerwehr Witten (NW, Ennepe-Ruhr-Kreis). Schlimmstenfalls, so sagt er, können sich aus Belastungen Traumafolgestörungen, beispielsweise eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), entwickeln.
Mehr zum Thema PSNV-E, wie die Unterstützung durch ausgebildete Teams konkret funktioniert und wie Ihr Euch auch nach einem Einsatz im Falle einer schweren emotionalen Belastung noch an Experten wenden könnt, erfahrt Ihr im Feuerwehr-Magazin 9/2024. Das Heft ist im Zeitschriftenhandel erhältlich oder versandkostenfrei zu bestellen im Feuerwehr-Magazin-Shop.